Türkei V - letzte Etappe

Unsere Aussicht am letzten Abend in der Türkei

Teppichmetropole Kayseri

Nach Kappadokien starten wir direkt durch zu unserem nächsten Ziel Kayseri. Punktgenau mit unserer Abfahrt aus Kappadokien bekommt Johannes nämlich eine Nachricht vom Outdoorgeschäft `Deep Up´, dass unser in Pamukkale bestelltes Ersatzteil für den MSR Kocher Mittwoch eintreffen wird. Na das passt doch. Wir sind schon gegen Dienstag Mittag da und kundschaften einen schönen großen Parkplatz an einem Park aus, der auf einem Hügel am Stadtrand mit Blick auf den teilweise mit Schnee bedeckten Vulkan Erciyes liegt.

Doch zum Rasten ist es uns noch zu früh und so bummeln wir durch die Stadt, wobei wir in der Altstadt auf den drittgrößten überdachten Bazar der Türkei treffen. Auch wenn die Gewölbe in diesem Fall nicht so bunt bemalt sind wie in Istanbul, ähnelt die Markthalle in ihrem Aufbau sehr dem Großen Bazar. Allerdings sind hier weniger Souvenirs als vielmehr das übliche Sortiment türkischer Märkte von Kleidung über Handyläden bis hin zu Schmuck erhältlich. Beim Schlendern durch die engen Gänge werden wir auf einmal auf Deutsch angesprochen. Mustafa war für einige Jahre beruflich in Nürnberg und wir freuen uns, mal wieder jemanden unsere Muttersprache sprechen zu hören. In Nürnberg habe er mit Teppichen gehandelt und auch hier habe er ein Geschäft, das wir uns doch bitte anschauen möchten. Ein Teppichhändler? Da schrillen unsere europäischen Alarmglocken... Und doch wollen wir dem freundlichen Herrn kein Unrecht tun. So viele Vorurteile wurden auf dieser Reise bereits widerlegt, da wird sich doch nicht ausgerechnet das des trickreichen Teppichhändlers bestätigen!

Wir lehnen dankend ab, doch Mustafa lässt keinen Einwand gelten, obwohl Johannes direkt klar stellt, dass wir ein ganzes Jahr lang mit einem kleinen Auto unterwegs sind und daher leider keinen Teppich mitnehmen können. Doch Mustafa strahlt uns so herzlich an, dass wir ihm zögerlich folgen, als er sich den Weg durch die vollen Gänge bahnt und uns zu sich winkt. Irgendwie ist die Situation witzig, denn schon der Weg durch die Menschenmenge ist ganz schön weit und nicht, wie er uns vorher versichert hat, `gleich um die Ecke`. Wir gehen durch eine elektrische Schiebetür, die sich symbolisch hinter uns schließt. Der Raum hier ist allerdings sehenswert. Abgeschirmt vom übrigen Markttreiben ist es still in der großen steinernen Halle mit einer Kuppel über dem Zentrum. Durch vier Öffnungen in der Apsis fallen Sonnenstrahlen in den Raum und machen die Staubpartikel der Wolle in der Luft als milchigen Schleier sichtbar. In verschiedenen Nischen sortieren Mitarbeiter Felle, Wolle und Teppiche und ein durchaus angenehmer Geruch nach Tier liegt in der Luft. Wir werden in Mustafas kleines Verkaufsbüro komplimentiert und sollen unbedingt Cay mit ihm trinken, da das `40 Jahre Freundschaft´ verspreche – da könnten wir doch wohl nicht ablehnen. Als wir uns höflich dafür bedanken, dass er uns seinen Laden gezeigt hat, jedoch keine Cay wollen, sieht Mustafa im wahrsten Sinne des Wortes seine Felle davon schwimmen und legt richtig los: Wir sollen diesen und jenen Teppich befühlen und so ein ganz kleiner Teppich als Souvenir ist eigentlich Pflicht wenn man in der Teppichmetropole Kayseri ist.

Als wir gehen, ohne einen Kauf getätigt zu haben, kühlt die Herzlichkeit rapide auf Höflichkeitstemperatur ab und wir sind froh, Mustafas Fängen entkommen zu sein. Fast ärgern wir uns, dass sich so ein altes Vorurteil so lehrbuchhaft bestätigt hat. Bereuen wir es aber, mitgegangen zu sein? Ach nein, so haben wir zwar keinen Teppich aber immerhin eine lustige Anekdote als Souvenir...




Wenns kracht noch´n Meter...
Inwischen ist es spät geworden und wir fahren zu unserem Parkplatz auf dem Hügel. Doch wir staunen nicht schlecht als wir ankommen, denn während wir mittags noch die freie Auswahl gehabt hätten, steht nun der ganze Parkplatz voller Autos und der menschenleere Park hat sich in eine riesige Picknikwiese verwandelt. Kinder laufen herum und verkaufen Zuckerwatte und es ist sogar eine kleine Hüpfburg aufgebaut. Auf einmal knirscht es gewaltig und wir hören aufgeregte Stimmen vom Parkplatz her. Eine Frau ist mit ihrem Auto beim Einparken zu weit auf den Bordstein gefahren und sitzt nun auf. Anscheinend kümmert das die Leute hier wenig. Schon in der Innenstadt haben wir einen tiefergelegten Wagen gesehen, der es am Randstein ordentlich hat scheppern lassen ohne davon Notiz zu nehmen und die vielfach aufgestellten orangefarbenen Kegel aus Hartplastik werden grundsätzlich missachtet, beziehungsweise als Hinweis dafür gesehen, dass man noch einen Meter weiter fahren kann. In diesem Fall ist die Frau jedoch sichtlich erschrocken und macht es in ihrer Nervosität nur noch schlimmer. Es kracht erneut. „Was machen die denn da?“ fragt Johannes und ist auch schon unterwegs. Von weitem sieht ihn Marie nun gestikulieren. Erst einmal scheucht er alle aus dem vollbesetzten Wagen, um das Auto leichter zu machen, dann erklärt er der Frau, welche Einstellung des Automatikgetriebes sie einlegen soll und dann wird gemeinsam geschoben. Keine große Sache, aber später bekommen wir von der sichtbar erleichterten Frau einen ganzen Teller voll Aprikosen, über die wir uns sehr freuen.



Tesekkür!
Am nächsten Tag geht es dann endlich zum Outdoorladen und wir sind sehr gespannt ob das Ersatzteil wirklich passt. Fatih und Burhan wissen direkt Bescheid und wir freuen uns, das gewünschte Teil entgegennehmen zu können. Was uns mindestens genauso sehr freut wie das Ersatzteil sind eine Unterlage und der Windschutz für den Kocher, die ohne unser Wissen bei der Lieferung dabei waren. Die glatten, glänzenden Aluteile haben absolut nichts mit den alten, rußigen und dreckigen Dingern gemeinsam, die wir momentan benutzen.
Als Outdoorbegeisterte haben die beiden Ladenbesitzer natürlich Interesse an unserer Reise und laden uns ein, doch auf eine Tasse Cay zu bleiben. Zum Glück waren wir eben noch in einer Konditorei und haben Baclava und diverse süße Teilchen zum Probieren gekauft. Und so sitzen wir sehr gemütlich zusammen und unterhalten uns mit den beiden, von denen vor allem Burhan hervorragend englisch spricht. Die beiden betreiben neben ihrem Laden in der Winterzeit noch einen Skiverleih am Erciyes und was sie so erzählen klingt wirklich spannend.

Hier könnten wir noch eine ganze Weile so sitzen und plaudern, doch allzu lange wollen wir Fatih und Burhan nicht aufhalten. Wir sind den beiden auf jeden Fall sehr dankbar, dass sie sich ohne uns zu kennen bereit erklärt haben, ein Päckchen für uns anzunehmen und freuen uns riesig, die beiden kennengelernt zu haben! 



Nächtliche Fabelwesen
Unser letztes festes Ziel haben wir damit erreicht und sind nun wieder komplett frei. Wie immer, wenn wir uns neu sortieren müssen, suchen wir uns ein Plätzchen in der Natur. Da wir erst gegen Nachmittag in Kayseri losgefahren sind und einige Kilometer zurückgelegt haben, tun wir dies seit langem wieder im Dunkeln. An einem kleinen See fahren wir das Ufer auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz ab, als uns plötzlich etwas ins Scheinwerferlicht hüpft. Eine Springmaus! Zu schnell um sie genau zu sehen, tauschen wir uns hinterher darüber aus, wie sie jetzt genau ausgesehen hat. Größer als eine normale Maus war sie, hatte große dunkle Augen und einen langen Schwanz mit einem Puschel oben dran. Und die Ohren waren fast wie Hasenohren. Und gesprungen ist sie doch bestimmt 30 Zentimeter! Wenn man uns zuhören würde, könnte man meinen, wir erfinden hier gerade ein Fabelwesen und sind uns selbst plötzlich nicht mehr ganz sicher. Doch wir haben Glück und können noch zwei weitere Springmäuse entdecken. Am nächsten Tag beschließen wir, unsere Beobachtung unabhängig voneinander aufzuzeichnen – das Ergebnis davon sowie einige unscharfe Beweisaufnahmen sind auf dem Link mit den aktuellen Fotos dieser Etappe zu finden...

Traumhafte Bergwelt

So langsam machen wir uns auf Richtung Georgischer Grenze. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass wir mit Kappadokien unser Highlight der Türkei gesehen haben und fragen uns, was da noch kommen soll. Doch wie so oft in den letzten zwei Wochen überrascht und die Türkei auch dieses Mal und zeigt sich die letzten paar Tage noch einmal von seiner Schokoladenseite.
Unsere Fahrt durch das Gebirge Richtung Schwarzes Meer und damit auch nach Georgien ist einfach traumhaft. Die Berge schillern in den verschiedensten Farben. Von einem hellen Sandton bis hin zu Zinnoberrot ist alles vertreten. Mehrfach steigen wir aus um ein besonders schönes Panorama zu bewundern und staunen dabei wieder über die Vielfalt der Insekten in dieser trockenen Gegend. Bei jedem Schritt springen etliche Heupferde zur Seite und riesige Libellen fliegen um uns herum. Besonders eindrucksvoll ist eine große Gottesanbeterin, die wir so noch nie in der Natur gesehen haben.
Auch auf den Straßen sehen wir einmal den Fahrer eines LKWs aussteigen um eine Schildkröte von der Straße zu tragen und wir selbst halten einmal an um einen Igel zu retten.

Doch das führt offenbar zu Missverständnissen. Denn sogleich beginnt ein junger Mann, auf uns zu zu rennen. Wir haben nicht gesehen, dass er am Straßenrand steht um per Anhalter zu fahren; er dagegen hat unser Anhalten als Einladung betrachtet, mitzufahren. Schon seit Rumänien könnten wir jeden Tag Anhalter mitnehmen und finden es etwas schade, dass wir unsere komplette Rückbank ausgebaut haben, um unser Gepäck unter zu kriegen. Letztes Jahr hatten wir in Norwegen immerhin einen einzelnen Sitz eingebaut, doch da dort niemand mit uns fahren wollte, haben wir dieses Mal darauf verzichtet.

Nun sind wir kurz verwirrt, verstehen nicht gleich, was los ist. Wir können den Mann nicht mitnehmen, wollen aber auch nicht direkt vor seiner Nase wegfahren, während er durch die Hitze zu uns rennt. Als wir ihm verständlich machen wollen, dass wir leider keinen Platz haben, merken wir, dass er selbst ziemlich überrascht davon ist, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen und nun aufgeregt an unserer Schiebetür zerrt. Ehe wir uns versehen, thront er hoch oben auf unserem Gepäck und wir sind etwas ratlos. Denn gerade Johannes legt sehr viel Wert auf Sicherheit und die ist in diesem Fall nun wirklich nicht gegeben. Doch unser Passagier hat es sich bereits gemütlich gemacht und ist nicht mehr zum Aussteigen zu bewegen, weshalb wir uns einfach fügen und losfahren. Im Geiste sehen wir schon unsere Kisten unter seinem Gewicht zusammenbrechen, denn wir haben bereits festgestellt, dass die Deckel derselben recht schnell kaputt gehen und haben sie bereits notdürftig geflickt. Unser Gast schaut sich derweil neugierig um und findet besonderen Gefallen an unserer Zahnpastatube, über die er herzlich lachen muss. Als er von uns keine zufriedenstellenden Antworten auf seine auf türkisch gestellten Fragen bekommt, wird er jedoch unruhig. Unser Versuch, ihn mit der Sprachfunktion von Google Translater zu fragen, wohin er möchte, macht es nicht besser, denn da wir das Handy mit dem Autoradio verbunden haben, tönt unsere Frage nun aus den Lautsprechern, was ihn zusätzlich verwirrt. Da er uns schon nach einigen Minuten signalisiert, dass er zwischen zwei Dörfern aussteigen möchte, gehen wir davon aus, dass er nicht am Ziel ist, aber doch lieber selbst laufen möchte. Immerhin hat er sich ein paar Kilometer gespart und wir freuen uns, dass er uns zumindest zuwinkt und nicht komplett von uns eingeschüchtert ist.
Der Igel ist bei der ganzen Aktion in Vergessenheit geraten, doch wir bauen darauf, dass er inzwischen von selbst das Weite gesucht hat. Viel Verkehr ist hier ja zum Glück nicht.

Weiter gehts durch tiefe Schluchten und über hohe Berge, bis wir irgendwann den höchsten Berg des Gebirges erreichen. Kaum sind wir auf der anderen Seite, bietet sich uns ein völlig anderes Bild: das dominierende Braunrot wird schlagartig abgelöst von saftigem Grün und auch die Temperaturen sinken rapide. Eine so markante Klimagrenze haben wir noch nie überschritten. So sehr wir die steppenartige Landschaft der letzten Woche bestaunt und genossen haben, so sehr freuen wir uns jetzt über die vielen Pflanzen und Bäume, von denen wir erst jetzt wissen, dass wir sie vermisst haben.
Daher genießen wir auch die Fahrt durch diese Seite des Gebirges sehr und fühlen uns irgendwie geborgen bei dem heimatlichen Anblick. Bei einer ausgeschilderten Sehenswürdigkeit halten wir spontan am Straßenrand und laufen auf einem Holzsteg die Treppenstufen zu einem Gebirgsbach hinunter, der in einem Kalksteinbett fließt. Bereits einige Kilometer zuvor haben wir einige Felswände gesehen, die ähnlich den Kalksteinterrassen in Pamukkale mit weißem Kalk überzogen sind und auch hier kann man deutlich sehen, wie das Wasser, das über mehrere Stufen in ein natürliches Becken fällt, eine fast glatte Bahn gebildet hat. Das Wasser leuchtet wunderschön und uns gefallen besonders einige kleinere Steine am Rand des Beckens gut, die durch die verbindende Kalkschicht aussehen, als würden sie langsam zusammenwachsen.

Zurück am Auto kommt ein ernst dreinblickender Polizist auf uns zu und deutet auf ein Schild, das wir zugegebenermaßen auch schon gesehen haben. Ganz grob hatten wir für uns übersetzt, dass sich der Parkplatz für diese Sehenswürdigkeit ein paar Hundert Meter weiter befindet, doch daran waren wir schon vorbei gefahren und wollten ja `nur kurz gucken´... Marie macht große erschrockene Augen und der Polizist lässt Milde walten. Wir dürfen ohne Strafzettel von dannen fahren.
Überhaupt hatten wir bislang nur positive Erfahrungen mit der türkischen Polizei. Als am Acigöl zu vorgerückter Stunde ein Polizeiwagen neben uns hielt und wir schon dachten, wir dürften hier nicht übernachten, wurden wir lediglich gefragt ob alles in Ordnung sei und an den Polizeikontrollen wurden wir jedes Mal grüßend vorbei gewunken ohne anhalten zu müssen.
Diese nehmen Richtung Grenze allerdings immer mehr zu und wir fahren bis Georgien noch an so mancher unheimlich aussehenden Kontrolle mit Schutzwall aus Sandsäcken und Polizist mit Maschinengewehr im Anschlag vorbei.



`Haus´am Meer
Unsere Fahrt durchs Grüne endet übrigens mit Wiedersehensfreude, denn wir sehen unser Schwarzes Meer wieder! Doch die Küste stellt sich uns komplett anders dar als in Rumänien oder Bulgarien. Eine vierspurige Autobahn zieht sich die gesamte Küste entlang, die noch dazu komplett bebaut ist. Einen Platz zu finden ist hier nicht so einfach. Wir finden letztlich eine Stelle etwas abseits der großen Straße auf einer Landzunge, doch da dies tatsächlich der einzige Platz im näheren Umkreis ist, an dem der Strand nicht direkt hinter der Leitplanke liegt, wird er offensichtlich häufig genutzt und ist dementsprechend vermüllt. Ernüchtert entscheiden wir uns für einen kleinen Campingplatz, der zwar für unsere Verhältnisse recht teuer ist, dafür aber auch das ein oder andere Schmankerl zu bieten hat. So stehen auf der Wiese hoch über dem Meer einige Pavillons, die man nutzen kann und die sogar über Strom und elektrisches Licht verfügen. Ein Bild wie von einem Luxus-Strandurlaub, auch wenn der Platz bei näherem Hinsehen seine besten Jahre eindeutig hinter sich hat. `Unser´ Pavillon zumindest steht noch ganz gut da und es macht Spaß, sich hier häuslich einzurichten. Wir kochen drinnen und essen an einem richtigen Tisch. Sogar unsere Tischdecke legen wir auf und stellen einen Zweig vom Oleander nebenan in die Vase. Aus unserer Kühlbox wird dank Steckdose ein richtiger Kühlschrank und mit den Gänsen, die schnatternd vorbeischauen, haben wir nun sogar Haustiere.

Der nächste Morgen beginnt leider mit dem Gekläffe des hauseigenen Hundes, das sich über mehrere Stunden zieht, bis Johannes ein ernstes Wörtchen mit ihm spricht. Der Hund (der mit seinem dicken Zottelfell in der Hitze total fehl am Platz scheint und uns fast ein bißchen leid tut) ist Johannes bald treu ergeben und es ist lustig zu sehen, wie sich die andern beiden Hunde des Platzes diebisch freuen, dass der vorlaute Kläffer zurechtgewiesen wird. Wann immer er jetzt nämlich anfangen will zu bellen, knufft ihn sein Hundekollege in die Seite, was er sich vorher nicht getraut hat. Freilich hält dieser Zustand nicht ewig an, weshalb wir schon recht früh aufstehen. Dass das Wasser momentan nicht läuft, ärgert uns ebenfalls ein wenig bei dem hohen Preis, den wir für den Platz zahlen. Als wir jedoch sehen, wie die Chefin des Platzes nach ein paar Stunden Reinigung total fertig aus dem Wassertank steigt um letzten Endes doch einen Wassertransporter zu rufen, verraucht unser Ärger, zumal sie sehr bemüht ist und uns einen alternativen Wasseranschluss am Boden zeigt. Also feiern wir Wiedersehen am Schwarzen Meer und man muss wirklich sagen, dass die von hohen Felsen umgebene Bucht des Platzes wirklich toll zum Baden ist. Hohe Wellen krachen an den Strand und da außer uns nur ein Vater mit seinem Sohn am Strand ist, sieht uns keiner zu, wie wir uns wieder anstellen: Während Johannes sich davor fürchtet, von den großen Wellen auf das Meer hinausgezogen zu werden, will Marie unter keinen Umständen Bodenkontakt (=Krebskontakt) haben. Wir stellen uns schon bescheuert an wir zwei, haben aber unheimlich Spaß und quietschen wie kleine Kinder vor Vergnügen.
Einen kleinen Essplatz, der romantisch auf die Klippen gebaut ist, nutzen wir, um noch ein bisschen aufs Meer hinaus zu schauen und dann füllen wir unsere Outdoordusche mit Wasser und hängen ihn kurzerhand in die Duschkabine – so kommen wir doch noch zu unserer frischen Dusche.



Henk hoch hinaus
Dennoch wollen wir die nächste Nacht nicht wieder auf einem Campingplatz verbringen und suchen uns einen Übernachtungsplatz im Hinterland, um ein bißchen von der Hauptstraße wegzukommen. Wir fahren nach der App MapsMe, die im Gegensatz zu Google Maps offline verfügbar ist und zu der wir eine regelrechte Hassliebe entwickelt haben. Wir hassen sie, da die Topographie nur sehr rudimentär dargestellt ist und wir so manchen Weg wählen, den wir vielleicht lieber nicht mit Henk befahren hätten. Und wir lieben sie aus genau dem selben Grund, da wir so manchen traumhaften und abenteuerlichen Weg fahren, der uns sonst vielleicht entgangen wäre. An diesem Tag ist lange nicht klar, in welche Richtung das Pendel ausschlägt, denn die Straße ist schon bald nicht mehr als solche zu bezeichnen. Der Weg wird immer schmaler, hat jede Menge riesiger Schlaglöcher und führt dabei direkt am Abgrund entlang. `Dafür verirrt sich hierher doch keine Sau´, sagen wir uns und freuen uns auf einen Platz abseits der Menschen. Nach einigen Stunden haben wir die Strecke bewältigt, die auf der Karte nur wenige Kilometer ausmacht und staunen nicht schlecht, als wir an einer Gabelung urplötzlich auf eine gut asphaltierte und vielbefahrene Straße stoßen. Das gibts doch nicht! Eine ausgebaute Straße führt auf den Gipfel und unsere App schickt uns auf die abenteuerlichsten Umwege... Irgendwie freuen wir uns trotzdem, die Strecke gefahren zu haben und sind ein bißchen stolz auf Henk und uns. Die letzten Kilometer nach Hidirnebi genießen wir dennoch die gute Straße, wenngleich uns klar ist, dass mit romantischer Zweisamkeit nun eher nicht zu rechnen ist. Tatsächlich scheint das Dorf am Gipfel ein Freizeiteldorado für die hiesige Bevölkerung zu sein. Große Zelte stehen hier, die man für die Nacht anmieten kann, Verkaufsstände locken am Straßenrand mit Esswaren und Souvenirs und für Kinder ist die ein oder andere Attraktion aufgebaut. Für uns befremdlich wirken die vielen vollverschleierten Frauen, die hier mit ihren Familien unterwegs sind. Auch wenn sie natürlich genauso wie untverschleierte Frauen lachen oder mit den Kindern spielen, ist es für uns doch ein sehr ungewohntes Bild.

Wir brauchen mehrere Anläufe, um einen schönen Platz für uns zu finden. Letzlich folgen wir einem kleinen Pfad, der auf eine große Wiese neben einem winzigen Häuschen führt. Wir sind nicht sicher, ob wir uns auf privatem Grund befinden und fragen lieber nach. Wir dürfen hier übernachten, stellen Henk ein wenig abseits des Hauses ab und sind erleichtert, einen so schönen Platz mit toller Aussicht gefunden zu haben. Ein paar andere Autos haben sich ebenfalls hier eingefunden und wohl nicht um Erlaubnis gefragt. Wir aber fühlen uns so wohler und freuen uns, als der alte Hausvater zu uns kommt und uns nicht nur bedeutet, hier gerne stehen zu können, sondern auch bei ihm an die Tür klopfen zu dürfen, wenn wir Probleme haben oder Wasser brauchen.

Wir sind noch gar nicht richtig angekommen, als wir ein besonderes Phänomen beobachten können. Weit über den Wolken sehen wir bei aufklarendem Himmel in der Ferne einen Regenbogen, allerdings nicht wie eine über die Erde gespannte Brücke, sondern als perfekten Kreis. Wir müssen zweimal hinsehen, ehe wir merken, dass sich unsere Schatten genau in der Mitte des bunten Kreises befinden und wir uns selbst zuwinken können.

Jetzt erkunden wir nach der beschwerlichen Fahrt erst einmal unseren Platz, denn vom hinteren Teil der Wiese aus führt ein schmaler Weg auf die Felsen. Rechts und links davon geht es steil in die Tiefe und wir tasten uns langsam auf dem Bergkamm bis zur Spitze vor. Die Aussicht, die sich uns beiden nun bietet, ist so überwältigend, dass Marie sogar die Tränen kommen. Der dichte Nebel verzieht sich und gibt den Blick auf ein gewaltiges Wolkenmeer frei, das sich bis zur untergehenden Sonne erstreckt. Erst nach und nach realisieren wir, dass wir von hier aus ein Stückchen Meer sehen können. Wolken, Meer, Himmel und Berge gehen als perfektes Bild ineinander über und wir schauen andächtig dem Sonnenuntergang zu.

Über unsere Begeisterung für die Aussicht ist es spät geworden und wir sind sehr froh, dass eine kleine Picknikgruppe, die sich außer uns noch auf dem Platz befindet und der wir zuvor das Regenbogenphänomen gezeigt haben, uns etwas von ihrem Essen vorbei bringt und wir so gar nicht kochen müssen. Zum Glück haben wir noch etwas getrocknetes Obst und etwas Süßkram, mit dem wir uns erkenntlich zeigen können.
Dann verlässt uns auch die kleine Gruppe und wir sind allein mit uns, Henk und einem wunderbaren Sternenhimmel.

Am nächsten Morgen sind wir noch ganz beseelt von dem wunderbaren letzten Abend und wollen betreten uns auch bei dem alten Ehepaar bedanken, dem der Platz hier gehört. Wir suchen unsere letzten Aprikosen, Rosinen und Süßigkeiten zusammen, die wir den beiden bringen. In unserer Naivität sind wir überrascht, wie selbstverständlich wir auf einen Cay in die kleine Behausung gebeten werden und scheu das kleine Zimmer, das als Küche und Wohnzimmer dient. Neben der winzigen Küchennische steht ein uralter und ebenso winziger Gusseiserner Ofen, auf dem das Wasser für den Cay köchelt. Sonst steht in dem kleinen Raum lediglich ein Chordsofa, auf dem der alte Hausherr sitzt. Der Boden, auf dem wir Platz nehmen dürfen, ist komplett mit einem großen Teppich ausgelegt und eine riesige silberne Platte, die erhöht auf einer Kiste im Raum steht, fungiert als Tisch. Per Übersetzer können wir uns ein wenig unterhalten, zeigen ihnen unsere bisherige Route und beantworten die immer gleiche Frage nach unseren Kindern... Sie selbst haben dreizehn, von denen aber bis auf zwei Kinder alle in Ankara leben.
Eine wunderschöne Begegnung für uns und wir verlassen die beiden beinahe ehrfürchtig.

Als wir später über diesen Moment sprechen, stellen wir fest, dass wir gar nicht nach den Namen der beiden gefragt haben. Auch ein Foto zu machen haben wir uns nicht getraut. Wir beide hätten dieses besondere Bild des kleinen dunklen Raumes, in das durch ein winziges Fenster helle Strahlen eindrangen und die Szenerie mit den beiden urigen Hausbewohnern beleuchteten, sehr gerne festgehalten. Doch wir sind beide froh, es nicht gemacht zu haben, um den besonderen Moment nicht zu zerstören oder gar den Eindruck zu erwecken, nur deshalb an die Tür geklopft zu haben.

Auf jeden Fall wird uns dieser Ort in besonders schöner Erinnerung bleiben und wir sind nun endgültig bereit, die liebgewonnene Türkei Richtung Georgien zu verlassen. Das war noch einmal etwas ganz besonderes, nachdem wir schon dachten, auf unserem letzten Stückchen in der Türkei würde uns nichts anderes mehr als Autobahn erwarten. 


Hätten wir zu diesem Zeitpunkt gewusst, was uns bereits zwei Stunden hinter der Georgischen Grenze erwartet, wären wir mit der Autobahn allerdings recht zufrieden gewesen...




Wer nun ein paar weitere Bilder zum Text sehen möchte, ist herzlich eingeladen auf den folgenden Link zu klicken: