Rumänien II




Bärenstark…

... finden wir die Transfagarasan, eine alte Serpentinenstraße, die das namengebende Fagarasgebirge ab Hermannstadt überquert. Schleife um Schleife winden wir uns die Berge hoch und sind von der fantastischen Aussicht überwältigt. Die touristischen Zwischenstopps an einem Wasserfall und Bergsee lassen wir jedoch aus, da die Autos bereits hundert Meter weit parken und der Trubel nicht nach unserem Geschmack ist.



Auf der anderen Seite des Gebirges steuern wir bald einen der wenigen Übernachtungsplätze in der Gegend an, da wir nach stundenlangem konzentrierten Fahren eine Pause brauchen. Zudem wissen wir durch unsere Bekanntschaft mit dem portugiesischen Pärchen, dass die Chancen gut stehen, hier einen Bären zu sehen. Diese Aussicht ist uns die geforderten zwei Euro für den Platz wert, auch wenn hier bereits viele andere Autos stehen. Der Parkplatzwächter drückt uns eine Mülltüte in die Hand und weist uns auf die Möglichkeit eines Bärenbesuchs hin. Die Bären würden weder in Zelte und Autos, noch in Menschen beißen, aber man solle keinen Müll liegen lassen sondern diesen in die dafür vorgesehenen Container werfen. Wir entscheiden uns für einen Platz in Waldnähe oberhalb der großen Stellplätze. Zum einen weil wir dort etwas abseits vom großen Trubel der grillenden Menschen stehen, zum anderen auch, weil die Bären laut Platzwächter am ehesten aus dieser Ecke kommen.

Noch während wir an unserem Sonnensegel basteln, hören wir aufgeregtes Stimmengewirr. Offensichtlich wurde am Eingang des Platzes ein Bär gesichtet. Wir freuen uns, einen Bären in freier Wildbahn zu sehen, sind jedoch ernüchtert, als wir feststellen, dass wir ihn nur dabei beobachten können, wie er im Müllcontainer nach Essensresten angelt und letztlich komplett darin verschwindet. Nachdem sich das Schauspiel eine Stunde später wiederholt, gehen wir davon aus, dass die Mülltonnen absichtlich offen gelassen werden, um Bären anzulocken und so auch den Platz zu füllen, der sich sicher nicht zuletzt aufgrund dieser Attraktion großer Beliebtheit zu erfreuen scheint.

Doch dann dürfen wir doch noch einen für uns ganz besonderen Moment miterleben. Etwa zehn Meter von uns entfernt taucht eine Bärenmutter mit ihren zwei Jungen auf und wir können aus nächster Nähe beobachten, wie die drei gemütlich den kleinen Fluss überqueren. Wir freuen uns sehr darüber, so etwas einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Doch als die kleine Bärenfamilie einige Zeit später an der selben Stelle wieder zurückkehren will, stürmt ein dickbäuchiger Mann in Badehose auf den Fluss zu, schreit und hetzt sogar einen Hund auf die Bären. Da er wie selbstverständlich so agiert, denken wir zuerst, dass es sich um einen Angestellten des Platzes handelt, doch bald ist klar, dass auch er lediglich ein Besucher ist. Die Bärenmutter ist nun gezwungen, eine andere Stelle weiter unten am Fluss zu suchen, doch hier trifft sie erst recht auf die dort versammelten Menschen. Dementsprechend ist die nächste halbe Stunde aus dieser Richtung großes Schreien, Pfeifen und Hupen zu vernehmen. Wie uns die Portugiesin vorgewarnt hat, war es wohl auch schon bei ihnen so, dass die Menschen mit lautem Gebaren auf die Bären reagiert haben. Johannes kann das teilweise verstehen, da die Menschen nicht anders reagieren, als dies auch Tiere getan hätten, die Angst verspüren. Marie jedoch ist entsetzt: Wenn man extra darauf hingewiesen wird, dass es auf einem Platz zu Begegnungen mit Bären kommen kann, muss mir als Besucher doch klar sein, dass ich mich dann in das Revier eines solchen begebe! Entweder mir ist das zu heikel und ich suche mir etwas anderes oder ich möchte es darauf ankommen lassen und behandle die Tiere mit Respekt. - Zumal jeder diesen Platz mit einem Auto erreicht hat, in das man sich zur Not setzen kann wenn man sich unsicher fühlt.

Sicher haben wir Deutsche, die in ihren Wäldern keine Bären haben und eine Begegnung mit diesen wilden Tieren daher als etwas ganz besonderes betrachten, eine andere Sicht auf die Situation als die einheimischen Rumänen, denen vielleicht auch die Gefahren durch Bären viel präsenter sind als uns. Doch die Tiere erst mit Hilfe von offenen Müllcontainern anzulocken, um sie dann lauthals zu verscheuchen, finden wir unmöglich. Darin sind wir uns einig. Und so erklärt sich Johannes kommentarlos bereit, alle Sachen zusammen zu suchen und weiter zu fahren, als Marie sagt, sie möchte sich das nicht länger mit ansehen.

Die Entscheidung, die nach der Fahrerei am Morgen noch eine weitere Stunde im Auto bedeutet, stellt sich als Glücksfall heraus, denn wir landen auf einer Blumenwiese, die wir nur mit ein paar Kühen und deren Hirten teilen. Vom angrenzenden Hügel haben wir eine wahnsinns Aussicht in jede Richtung und so freuen wir uns über diese glückliche Fügung, auch wenn der Anlass dafür unsere gemischten Gefühle im Hinblick auf die Bärenfamilie war.




Bukarest…

Es ist für uns nicht so einfach, etwas über die rumänische Hauptstadt zu sagen. Denn für uns ist Bukarest untrennbar verbunden mit enormer Hitze, die uns müde und schlapp macht. Es ist einfach viel zu heiß für einen Stadtbummel! Wir wären jetzt gerne an einem kühlen klaren Fluss oder irgendwo sonst in der Natur. Stattdessen trotten wir stundenlang über heißen Asphalt nachdem schon der Verkehr in die Stadt ein Perforceritt war…

`Genug gejammert!´ sagen wir uns und reißen uns zusammen. Denn die Innenstadt hat durchaus ihren Reiz. In den verwinkelten Gassen reihen sich urige wie hippe Kneipen und Restaurants aneinander und wir sehen mehrere nette kleine Märkte mit Antiquitäten und Kunstgewerbe. Einer dieser Märkte ist sogar in einem prunkvollen alten Gebäude untergebracht, wo sich nun unter prachtvollen Lüstern und stuckverzierten Decken Antiquitäten ebenso wie selbstgemachte Ketten und Plüschtiere stapeln.
Obwohl es Sonntag ist, sind nicht nur die Restaurationen gut besucht, auch `ganz normale´ Geschäfte haben bis spät abends auf, sodass wir kaum einen Unterschied zu einem Werktag aus unserer Heimat feststellen können. Lediglich der Straßenverkehr muss unter der Woche noch viel heftiger sein als ohnehin schon, sodass wir froh sind, am Wochenende hier zu sein.

Um der Hitze zu entkommen flüchten wir uns auf ein Getränk in ein libanesisches Lokal, weil dort an den Markisen feine Düsen angebracht sind, die in regelmäßigen Abständen zerstäubtes Wasser auf die Gäste sprühen.
Auch abends gehen wir zum Essen in ein Restaurant da sich das Kochen auf unserem sehr öffentlichen Platz etwas schwierig gestalten könnte. Erst hier in einem ruhigen Hinterhof fällt uns auf, wie laut es den ganzen Tag um uns herum war. Wir kommen etwas runter, freuen uns darüber, dass es etwas abkühlt und bewundern die Gelassenheit, mit der der freundliche Wirt auf die Frage nach dem WiFi Passwort mit den Achseln zuckt und uns zu verstehen gibt, dass gerade Internetausfall im Viertel herrscht (weshalb wir auch nicht mit Karte zahlen können und Johannes erstmal noch einen Spaziergang zum Bankautomaten machen darf, mit der Ungewissheit, ob dieser funktionieren wird…).

Danach brechen wir frisch gestärkt zu einem Spaziergang durch das nächtliche Bukarest auf. Erneut sind wir erstaunt, wie viele Menschen hier an einem Sonntag unterwegs sind! Die Kneipen sind voll besetzt, aus nahezu jedem Restaurant tönt (sehr) laute Musik und mit roter Beleuchtung und entsprechenden Animierdamen sind jetzt auch einige Stipclubs inmitten der übrigen Lokalitäten auszumachen. Wir sind ehrlich beeindruckt von dem bunten Treiben. An unserem Platz angekommen machen wir noch einen letzten Abstecher zu einem Denkmal mit einer großen Treppe, bei der wir uns an Rocky erinnert fühlen. Und damit hat sich vor allem Rockyfan Marie nach dem zähen ersten Eindruck endgültig mit Burkarest versöhnt...



Mehr Meer!

Dennoch gleicht unser Aufbruch am nächsten Tag eher einer Flucht denn einem gemütlichen Weiterfahren mit Frühstück oder zumindest Kaffee. Uns graut einfach vor dem mehrspurigen Verkehr aus der weitläufigen Stadt heraus und wir halten lediglich an einer Tankstelle um die Vignette für eine weitere Woche zu kaufen. Dummerweise reicht unsere bisherige nur bis letzte Nacht und wir wollten nicht auf Biegen und Brechen abends noch über die Grenze nach Bulgarien hetzen. Es gibt zwar keine Vignette für einen einzigen Tag, aber wir nehmen es gelassen und fahren dafür nicht direkt in den Süden sondern Richtung Osten. Unterwegs staunen wir vor allem über die kilometerweiten Sonnenblumenfelder, die die Landschaft zu einem Großteil bestimmen. Wir wollen uns heute einen schönen Platz in der Natur suchen und haben uns dafür ein Plätzchen an der Donau auserkoren. Dort angekommen können wir noch im Auto beobachten, wie unzählige Schnaken an die Scheibe klopfen. Aussteigen und an zehn Stellen gleichzeitig gestochen werden ist eins!

Uns ist direkt klar, dass das nicht der Platz ist, von dem wir im heißen Bukarest geträumt haben. Ohne Frühstück aufgebrochen haben wir allmählich Hunger (wer Johannes kennt, weiß was das bedeuten kann) und wollen einfach nur einen Schattenplatz! Doch daran, dass uns so etwas gar nicht groß stört, merken wir, dass wir inzwischen im Reisen angekommen sind. Fahren wir halt weiter… Erst einmal rasten wir an einem besonders schönen Sonnenblumenfeld und dann beratschlagen wir. An den Flüssen wird es uns mit den Mücken durch den Hochwasser-Hitze-Mix überall so ergehen. Wir brauchen einfach mehr… Meer!
Und so fahren wir kurzentschlossen bis ans Schwarze Meer südlich von Konstanza, das uns für heute einfach eine zu große Stadt ist.

Jackpot: Wir sind mückenfrei (auch wenn es dafür unzählige Fliegen gibt, die uns aber im Vergleich zu den Mücken fast sympathisch sind), haben den Strandabschnitt fast für uns alleine und vom Henk aus eine fantastische Aussicht. Morgens aufwachen und direkt in den Sonnenaufgang blicken… Was soll man dazu noch sagen! Noch dazu kommt mehrfach am Tag eine Herde mit über 100 Ziegen und Schafen an Henk vorbei getrabt. Wir erkennen bald einzelne Tiere wieder und finden natürlich vor allen Dingen die kleinen Lämmer und Zicklein besonders süß. Einzig Johannes bekommt kurzzeitig einen Hitzekoller. Anstatt sich einfach mal in den Schatten zu setzen, wuselt er im und am Auto herum und klemmt sich dabei den Daumen zwischen den Schlafbrettern ein. Wütend projiziert er seinen Hass nun auf die lästigen Fliegen, die er mit einer selbstgebastelten Mückenfalle zu fangen gedenkt. Doch kaum steht seine Falle, bestehend aus einem hefehaltigen süßen Gebräu in einer Colaflasche, da naht weiteres Unheil in Form eines Esels, der stets bei der Ziegenherde dabei ist. Erst finden wir es total schön, dass er bei uns stehen bleibt und uns neugierig beschnuppert und stellen einfach alles (inklusive Mückenfalle) etwas höher, das heißt ins Auto. Doch als der Esel zielstrebig auf Henk zu geht und die Falle samt ihres klebrig süßen Inhalts umwirft, sodass die Soße ins Auto läuft, reicht es Johannes: `Hau ab du Arsch…!´
Wir säubern Henk so gut es geht und geben den Kampf gegen die Fliegen, die sich natürlich sehr über dieses Missgeschick freuen und es sich jetzt erst recht in Henk bequem machen, achselzuckend auf. 

 Stattdessen tun wir endlich das, was man bei einem Strandurlaub so macht: Wir gehen im Meer schwimmen!!
Dass wir dabei keine besonders gute Figur abgeben, ist uns klar: Johannes mag kein Wasser, dass über kniehoch hinaus geht und Marie hat furchtbar Angst vor Krebsen…
Aber es ist einfach so heiß, dass wir uns schließlich doch in die Fluten stürzen. - Aaahhh, ist das herrlich! Warum haben wir das nicht schon viel früher gemacht…?!

Jetzt, da wir verstanden haben, wie Badeurlaub funktioniert, haben wir richtig Spaß daran und bleiben ein paar Tage hier. Das liegt nicht zuletzt an den netten Leuten, die wir hier getroffen haben. An unserem ersten Abend sind wir in der Hoffnung auf ein kühles Bier in einer Strandbar von unserem etwas abseits gelegenen Strand das Meer entlang zum circa zehn Minuten entfernten Hauptbadestrand spaziert. Fast alle der selbst zurecht gezimmerten Bars sind wegen der gerade erst beginnenden Saison leer und wirken wenig einladend, zumal laute Musik heraus dröhnt. Doch dann werden wir fündig und sind zwar auch hier die einzigen Gäste, finden aber die beiden langhaarigen, volltätowierten, superentspannten Typen, die hier den Sommer über arbeiten, so nett, dass wir uns richtig wohl fühlen. Zur Bar gehören außerdem Tuzla und Moonshine, zwei quirlige junge Hunde, die die ganze Zeit zwischen Strand und Bar hin und her pendeln und sich ab und zu zu uns gesellen, um sich kraulen zu lassen. Nach zwei Tagen ist das Gaia zu unserer `Stammkneipe´ geworden und wir machen uns selbst an einem Abend mit Regenwetter zur Bar auf, um hier zusammen mit Mitja und Stefan ein Gewitter am Meer zu erleben. Bei Blitz und Donner gibt es scharfen Schnaps aufs Haus und nach einer Weile gesellen sich ein argentinisches und ein deutsches Pärchen dazu, die unabhängig voneinander mit den Fahrrädern unterwegs sind. Alle vier haben wie wir ihre Jobs aufgegeben. Die Argentinier sind bereits seit einigen Jahren so unterwegs, arbeiten hin und wieder um ein bisschen Geld zu verdienen und radeln dann weiter. Das deutsche Pärchen ist `erst´ seit zwei Monaten unterwegs und hat vor, in zwei Jahren mit dem Rad das Basiscamp am Mount Everest in Nepal zu erreichen. Obwohl Johannes, der zuvor mit einem unserer neuen Bekannten angeln war, ziemlich kaputt ist und viel Zeit in der Hängematte verbringt, wird es ein super Abend in wirklich netter Runde. 

Wir ahnen nicht, dass das Itüpfelchen erst noch auf dem `Heimweg´ auf uns wartet: Erst glaubt Marie, sich vertan zu haben, als sie im Meer etwas leuchtendes sieht. Doch dann werden immer mehr grün leuchtende briefmarkengroße Flächen an den Strand gespült, die dort jedoch sofort wieder erlischen. Es sind die phosphoriszierenden Algen, von denen uns Stefan zuvor erzählt hat. Wir brauchen mindestens eine halbe Stunde zu Henk zurück weil wir alle paar Meter stehen bleiben müssen um dieses etwas unheimliche und gleichzeitig wunderschöne Phänomen zu bestaunen.

Am nächsten Morgen beschließen wir, diesen tollen Platz und damit auch Rumänien zu verlassen. Zum ersten Mal fällt uns das richtig schwer und unsere rumänischen `Nachbarn´, die während der ganzen Zeit zwar neben uns gestanden und auch gelächelt, unsere Versuche Kontakt aufzunehmen aber wegen sprachlicher Barrieren umgangen haben, machen es uns nicht einfacher. Anscheinend haben wir uns doch sehr aneinander gewöhnt und sie winken uns hinterher, bis wir den Strand hinter uns lassen. Nun muss Henk sich beweisen, als wir unbedacht den Weg an der Küste entlang wählen, der immer wieder durch richtige Stufen unterbrochen ist. Wir sehen bald ein, dass wir so nicht weiterkommen und müssen ausgerechnet an einer recht schmalen Stelle der Küstenstraße wenden.
Wasser füllen wir direkt bei einer Wasseraufbereitungsanlage auf, die etwas abseits der Straße liegt und hier bekommen wir an unserem letzten Tag in Rumänien auch dessen rauhe Seite zu sehen, denn die Wege sind voller Müll, streunender Hunde und in einiger Entfernung sehen wir erstmals ein Lager aus alten Wohnwagen und Plastikplanen, in dem die Bewohner offenbar in ärmlichen Verhältnissen leben.

Unterwegs Richtung Bulgarien hängen wir beide noch eine Weile unseren Gedanken nach und lassen die letzten knapp zwei Wochen noch einmal Revue passieren.
Wir haben tolle Prachtbauten und einladende Parkanlagen ebenso gesehen wie heruntergekommene ärmliche Viertel. Wir sind in den Bergen gewesen und letztlich am Meer gelandet. Wir hatten abenteuerliche Erlebnisse mit Sturm oder Bären und viele schöne Begegnungen mit tollen Menschen.

Für uns war es das erste Land, in dem wir auf unserer Reise `angekommen´ sind und der Abschied fällt uns nicht leicht.
Trotzdem freuen wir uns weiterzufahren und sind neugierig auf Bulgarien, über das wir ehrlich gesagt nur wenig wissen. Wir wollen auch hier erst einmal an der Küste bleiben und nach einem schönen Platz am Meer suchen - noch wissen wir nicht, dass unser Start in Bulgarien erst einmal etwas holprig wird...





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