Richtungswechsel - Armeniens Süden

Kaffeepause am Spandarian Reservoir

Caddybuddys

Henk hat einen neuen Freund gefunden. Wie er ist Ottlieb ein VW Caddy, der als Schweizer sogar (fast) die selbe Sprache spricht. Seit wir vom 3G losgefahren sind, liegt uns Henk nun schon in den Ohren, dass er seinen Kumpel gerne noch einmal sehen möchte und da wir Ottliebs Besitzer Denise und Roger ebenfalls lieb gewonnen haben, erfüllen wir ihm diesen Wunsch gerne. 

Doch wie macht man das überhaupt, sich unterwegs gezielt zu treffen? Bislang waren alle Begegnungen dieser Reise zufällig und spontan. Anders als bei einem Treffen mit Freunden daheim ist es gar nicht so einfach, sich gleichzeitig am selben Ort einzufinden, zumal wir mit zunehmender Reisedauer immer mehr unser eigenes Tempo entwickeln und eine regelrechte Abneigung gegen das Schmieden von Plänen entwickelt haben. Andererseits fallen auch ein paar Gründe weg, an denen zuhause viele Verabredungen scheitern: Termine und damit Zeitmangel.
So schwer kann das also gar nicht sein. Wir haben uns den Azad Stausee als Lagerplatz ausgeguckt und da die beiden noch in Yerevan sind, wir die Hauptstadt dagegen schon verlassen haben, ist es an uns, voraus zu fahren und die Lage zu sichten.

Unser Weg führt dabei an Chor Virap vorbei, das wir uns bei der Gelegenheit ansehen. Die Lage des berühmten Klosters ist bei all den wahnwitzigen Orten hoch oben auf Berggipfeln oder ganz versteckt in tiefen Tälern, an denen wir bereits Klöster in Georgien und Armenien gesehen haben, wenig spektakulär. Und doch hat man einen imposanten Rundumblick auf die umliegende, vorwiegend flache Landschaft und vor allem nach Westen wird es natürlich interessant: Ein mehrere Meter breiter eingezäunter Grenzstreifen teilt die Landschaft scheinbar willkürlich in Armenien und Türkei. Vom christlichen Kloster aus sieht man nur ein paar hundert Meter weiter die erste Moschee und noch einige Kilometer weiter den gigantischen Ararat aufragen. Spätestens seit unserer Gewitternacht, in der wir ihn regelmäßig für wenige Augenblicke im Licht der kräftigen Blitze dunkel hervortreten gesehen haben, können wir gut verstehen, weshalb der Ehrfurcht gebietende Berg von den Armeniern als heilig verehrt wird. Wie bitter muss es sein, diesen nicht erreichen zu können, da er inzwischen auf türkischem Gebiet liegt!

Der Azad Stausee ist zwar relativ schön gelegen, führt aber aufgrund der Hitze recht wenig Wasser und da es noch früh am Tag ist, kommen wir mit Denise und Roger per WhatsApp überein, es an anderer Stelle zu versuchen. Die beiden wollen gerne die Landschaft um die kleine Ortschaft Vedi erkunden und sich ein schönes Plätzchen am dortigen Fluss suchen und so machen wir uns ebenfalls auf den Weg dorthin. Doch auch hier ist das Flussbett ausgetrocknet und da es uns ohnehin Richtung Süden zieht, beschließen wir, unserem ursprünglichen Plan zu folgen und uns einen Platz am Spandarian Reservoir zu suchen, an dem wir gleich mehrere Tage bleiben wollen.

Sehr weit kommen wir allerdings nicht, denn schon bald treffen wir auf Marie und Benno, zwei Fahrradfahrer aus Deutschland, die tatsächlich nur vier Tage vor uns in Deutschland aufgebrochen sind! Uns wird einmal mehr klar, wie relativ Zeit und Geschwindigkeit sind. Bekamen wir vor ein paar Wochen noch zu hören, dass wir `aber viel verpasst´ hätten, wenn wir schon nach so kurzer Zeit in Georgien seien, schauen uns die beiden nun groß an und befinden, dass wir `aber ganz schön zick zack gefahren´ sein müssen, wenn wir jetzt erst hier sind...
Die beiden sind so nett, dass wir eine geschlagene Stunde am Straßenrand halten um zu quatschen und am Ende haben wir mal wieder eine Mission: Ein Ritzel für Bennos Rad in einem Fahrradladen in Yerevan abholen, da wir dorthin ja wegen des Visums ohnehin noch einmal zurück kehren werden.

Inzwischen ist es fast ein wenig zu spät geworden um den See noch bei Tageslicht zu erreichen und als uns die Nachricht der Schweizer erreicht, dass sie uns anscheinend während unserer Quatschpause überholt haben und sich auf dem gerade einmal zehn Minuten entfernten Campingplatz `Crossways´niedergelassen haben, nehmen wir dies als Wink des Schicksals.
Die Wiedersehensfreude ist riesig und die gemeinsamen nächsten Tage vergehen wie im Flug. Und ja, es handelt sich tatsächlich um den Plural: Tage. Denn obwohl wir uns ganz fest vorgenommen haben, nach unserem Luxusurlaub auf dem 3G Campingplatz maximal eine Nacht hier zu verbringen, zieht sich allein schon das Frühstück bis mittags hin weil wir uns soviel zu erzählen haben und ehe wir uns versehen, überlegen wir auch schon wieder, was wir abends gemeinsam kochen.
Allerdings sind die Bedingungen für einen Aufbruch auch denkbar schlecht: Zum einen ist das Wetter ziemlich regnerisch, während wir es in den überdachten Lauben des Platzes ziemlich gemütlich haben, zum anderen ist Roger Koch... Abends kuschelig im Warmen am Grill sitzen und fürstlich schmausen während es draußen stürmt, ist einfach herrlich.

Doch nach drei Tagen kommt die Sonne heraus und es zieht uns weiter. Der Abschied fällt uns schwer, doch wir sind uns sicher, uns spätestens im Iran wieder zu treffen und so fahren wir in unterschiedliche Richtungen auf dem Weg zu unterschiedlichen Abenteuern.


Der Blick von unserem Lagerplatz beim Crossways

Spandarian Reservoir 

Ein bisschen kommt es uns so vor, als seien wir im Crossways in eine Art Zeitloch gefallen. Wir setzen unsere Reise an dem Punkt fort, an dem wir sie vor drei Tagen unterbrochen haben – und treffen auf `unsere´ Fahrradfahrer, denen es genauso ergangen ist. Anders als bei sengender Hitze vor drei Tagen treffen wir uns nun aber bei heftigem Wind und eisigen Temperaturen, denn der Spandarian Stausee, der nach wie vor unser Ziel ist, liegt auf einem Hochplateau und ist dementsprechend dem rauen Wetter ungeschützt ausgesetzt.
Als wir die beiden mühsam gegen den Wind anfahren sehen, kommen wir ins Nachdenken: wir beide haben uns bei Wanderungen und Fahrradtouren schon ganz anders mit den klimatischen und topographischen Gegebenheiten eines Landes auseinander setzen müssen als jetzt mit Henk und wissen das zufriedene Gefühl, es am Abend abgekämpft aber glücklich geschafft zu haben, zu schätzen. Doch für den Moment sind wir sehr froh über unsere kleine Komfortzone Henk und schalten die Heizung mal eben ein Grad höher. Die Sitzheizung heben wir uns für die ganz kalten Tage auf....

Das Reservoir liegt übrigens malerisch eingebettet inmitten sanfter Hügel, die uns in ihren Farben an die Fjells in Norwegen erinnern. Eher zufällig gelangen wir zu einem alten sowjetischen Friedhof an einem Hang, an dem wir schließlich auch übernachten, damit sich die Mühe `auch gelohnt´ hat. Denn bei dem Versuch, den Hügel zu erklimmen, braucht Henk mehrere Anläufe, da er auf den matschig steilen Pisten immer wieder abrutscht und nur Johannes Ehrgeiz ist es zu verdanken, dass wir letztlich gut oben ankommen.
Anfängliche Skepsis weicht bald Begeisterung, denn gegen Abend zieht Nebel auf und als wir morgens aus dem Fenster schauen, ist der ganze Friedhof in dichtes Weiß gehüllt, aus dem nur die Spitzen der alten Grabsteine hervor lugen.

Auf touristischen Spuren 

Irgendwie sind wir ja selbst Touristen, auch wenn wir uns vielmehr als Reisende sehen, die sich am liebsten abseits der ausgetretenen Pfade bewegen. Doch Armenien ist so schmal, dass wir so oder so an den offiziellen Sehenswürdigkeiten vorbei kommen und da wir inzwischen in der Nachsaison unterwegs sind, sind wir oft komplett allein an wunderbaren Stätten, die ja nicht zu Unrecht als sehenswert angepriesen werden.

Zorakarer gefällt uns besonders gut. Auf einem Gebiet von mehreren Quadratkilometern wurden hier in der Bronzezeit große Felsblöcke einem bestimmten Muster folgend angeordnet.
Herzstück der Anlage ist ein kreisrunder Bau aus eben solchen Blöcken mit mehreren Eingängen in verschiedene Richtungen, dessen Dach inzwischen komplett eingestürzt ist. Anders als beim angeblich um mehrere Jahrhunderte jüngeren Stonehenge, das von den Einheimischen gerne als Vergleich heran gezogen wird, ist das gesamte Gebiet frei zugänglich und als wir dort sind, haben sich nur wenige Menschen zu der archäologischen Stätte verirrt, was zusammen mit dem wolkenverhangenen düsteren Himmel die ohnehin mystische Atmosphäre noch verstärkt. Von dem zentralen Bau führen dicht aneinander gereihte, senkrecht aufgerichtete Megalithe die Wege entlang. Viele verfügen über ein circa fünf Zentimeter großes Loch, durch das die damaligen Bewohner der Grubenhäuser, die auf dem weitläufigen Areal teilweise freigelegt wurden, die Sterne beobachten konnten.
So zumindest ist es auf der Schautafel zu lesen. Befragt man andere Quellen, handelt es sich bei den Gruben um Steingrubengräber, über denen erst viel später eine Siedlung errichtet wurde. Die geheimnisvollen Löcher, aufgrund derer manche Wissenschaftler in der Anlage ein prähistorisches Himmelsobservatorium sehen wollen, dienten nach Meinung der meisten Forscher ganz profan dem Transport der schweren Steine, die als Schutzwall um die Siedlung herum aufgestellt worden sein sollen.

So oder so: Wir finden es klasse, das Gebiet zu erkunden und malen uns aus, was für eine verrückte Erklärung Maries Bandkollege Felix für das Ganze hätte. Ihm zufolge ist das sicher eine prähistorische Landebahn für Außerirdische und die kreisrunden Löcher eindeutig die Einschusslöcher der Kanonen, mit denen die Aliens ätzenden galaktischen Schleim zum Zeitvertreib auf die Megalithe geschossen haben, die sie vorher als Zielscheiben aufgestellt haben...

Auch das Kloster Tatev besichtigen wir auf unserem Weg durch den Süden und sind beeindruckt von dessen verwinkelten Gängen und Räumen, sowie von der fantastischen Lage.
Letztere bestaunen wir von einer einige Kilometer entfernten Aussichtskanzel, die wir eher durch Zufall entdecken. Das auf die Entfernung winzig wirkende Kloster ist an die Klippen oberhalb eines tosenden Wasserfalls gebaut worden und thront nun hier oben wie ein Vogel in seinem Nest. Der Blick aus der Ferne auf die durchaus große Klosteranlage, die aber von Weitem als kleiner Punkt geradezu in der gigantischen Bergwelt zu verschwinden scheint, begeistert uns fast mehr als das Kloster selbst.

Letztes offizielles Highlight unserer Fahrt durch den Süden ist die Höhlenstadt Chndsoresk, die wir über eine lange Hängebrücke erreichen.

Am Vorabend unseres Besuches dort kommen wir allerdings nur bis zu den weniger touristisch erschlossenen Höhlen in Goris. Ein Glück, denn wir finden einen Platz direkt vor ein paar in den Fels geschlagenen Höhlen und können diese bei einsetzendem Regen als Regenschutz nutzen. So werden wir für zwei Tage selbst zu Höhlenbewohnern mit wunderbaren Nachbarn. Denn in einer weiteren kleinen Höhle schläft bereits Hundemutter Berta mit ihren drei Welpen Kläffi, Stups und Fridolin. Wir haben unheimlich Spaß mit den vier Hunden und es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich die drei gleichalten Welpen bereits jetzt schon sind.

Chndsoresk ist noch einmal eine ganze Nummer größer als die Höhlen von Goris. Der ganze Berg ist voller in den Stein gehauenen Wohnungen, die zum Teil noch bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts bewohnt wurden. Immer wieder sind Terrassen wie eine Art Vorplatz vor den Höhlen eingezogen worden und wir verweilen immer mal wieder auf so einer `Aussichtsplattform´, um den Blick ins Tal zu genießen. Ein wunderschöner Spaziergang, der lediglich durch das zweimalige Überqueren der Hängebrücke getrübt wird. Denn auch wenn wir von der Mitte der schwankenden Brücke eine wahnsinns Aussicht auf das darunter liegende Tal haben, ist uns nicht ganz wohl bei der Konstruktion, bei der manche dicke Gitterplatte durch wesentlich dünneres, sich durchbiegendes Gitter ersetzt wurde und die ein oder andere Eisenstrebe bereits gebrochen ist... 


Megalith bei Zorakarer


Augen auf im Straßenverkehr 

Unser Aufenthalt in Armenien neigt sich allmählich dem Ende zu. Höchste Zeit, noch ein paar Worte über den Verkehr zu verlieren!
Wir dachten ja, von Georgien bereits einiges gewohnt zu sein, doch Armeniens Fahrer toppen einfach alles, was wir bislang auf den Straßen gesehen haben. Es wird noch in den engsten Kurven überholt und wir erleben mehrfach, dass das gerade überholende Auto wiederum selbst überholt wird, sodass auf einer Spur plötzlich statt einem Auto gleich drei fahren. Ansonsten wird auch auf schmalen Straßen gerne auf dem Mittelstreifen gefahren und betrunkene Autofahrer treffen wir wie schon in Georgien auch hier mehr als einmal.

Kultig sind allerdings die Fahrzeuge selbst. Waren es in Georgien neben dem allgegenwärtigen Lada vor allem Importe aus Asien oder auch Deutschland (`Franks Fahrrad Hol- und Bringedienst´ sei als ein Beispiel von vielen genannt), findet man hier hauptsächlich Marken aus dem Osten. Allen voran alte UAZ und Kamaz, von denen wir begeistert sind. Da sind zum Einen die schnuckelig runden und stets olivgrünen UAZ, die in ihrer Form entfernt einem höher gelegten T1 VW Bus ähneln und zu unserer Erheiterung (und auch Besorgnis) immer noch als klapprige Krankenwagen unterwegs sind. Und dann gibt es natürlich die alten ZIL Lastkraftwagen mit himmelblauen Führerhäuschen, an deren Schnauze die typische schneeweiße Frontabdeckung prangt. Die beiden genannten Autotypen sehen aus, als könnte sie nichts erschüttern, haben aber mit ihren runden Formen auch etwas drolliges an sich. Ganz anders steht es mit alten GAZ oder MAZ Lastern, die ebenfalls unverwüstlich, aber auch ziemlich bedrohlich aussehen.

Einmal fährt so ein alter archaischer Brummer im Schritttempo an uns vorbei und legt in genau diesem Moment einen anderen Gang ein. Johannes zeigt Marie begeistert, dass man das bei den alten Wagen anhand von Kabeln und Hebeln außerhalb des Führerhauses auch von außen sehen kann, als wir beide stutzen: Eines der zwei linken Räder der hinteren Achse des Dreiachsers dreht sich doch tatsächlich entgegen die Fahrtrichtung! Ein paar Meter weiter sehen wir, wie sich etwas großes, langes langsam von der Karosserie löst, dann am Boden schleift und letztlich mit einem gewaltigen Schlag ganz ab fällt. Der alte LKW hat mal eben seine beindicke Antriebswelle verloren! Wir sind noch am überlegen, ob wir dem LKW, der in den Innenhof einer Fabrikanlage abgebogen ist, hinterher laufen sollen, für den Fall, dass er das nicht gemerkt hat, als schon ein Fabrikarbeiter auf die Straße läuft, um – so scheint es zumindest – das verlorene Teil einzusammeln. Doch weit gefehlt. Mit Händen in den Taschen besieht sich der Mann das gute Stück und lässt es dann einfach dort mitten auf der Straße liegen, wo es noch dazu mitten in einer Kurve eine ordentliche Gefahrenquelle für nachfolgende Fahrzeuge darstellt!

Wir schütteln ungläubig den Kopf und ahnen nicht, dass nur wenige Minuten später die nächste bizarre Situation auf uns wartet. Denn mitten auf einem Hügel ist ein Lada gestrandet und zwei ältere Herren stehen hilflos mit einem Abschleppseil herum, das sie bereits an ihrem Auto befestigt haben. Ganz klar ein Fall für Henk. Als wir anhalten, strahlen die beiden Männer um die Wette, legen das zweite Ende des Seils um Henks Anhängerkupplung und steigen dann in den alten Lada. Trotz Steigung zieht Henk den Lada tapfer mindestens zehn Meter weit. Dann tut es den ersten Schlag. Wir schauen uns verwirrt an, fürchten um unseren treuen Henk, der zwar klaglos zieht, aber beim Anfahren am Berg spürbar kämpfen muss. Da kracht es ein zweites Mal und wir sehen im Rückspiegel, dass die Stoßstange des Ladas abgerissen ist. Die beiden Männer haben das Abschleppseil doch tatsächlich daran befestigt!


Noch hält die Stoßstange

Luxusurlaub Teil 2 

Wir sind auf dem Rückweg nach Yerevan, wo wir am 16. September unser Visum für den Iran abholen können, als uns eine Nachricht von Heike und Peter erreicht, dass sie für ein paar Tage im 3G sein werden und uns gerne wieder sehen würden. Wir freuen uns unheimlich, dass die beiden uns treffen wollen und steuern tatsächlich erneut den luxuriösen Campingplatz an, obwohl wir es gerade sehr genießen, nach den beiden Plätzen endlich wieder in der Natur zu leben. Je länger wir darüber nachdenken, desto mehr freuen wir uns aber nicht nur auf die beiden Freunde, sondern auch auf die Waschmaschine und die tollen Duschen...

Nachdem wir Armenien nun von Nord bis Süd erkundet haben, sind wir bei der Ankunft auf dem schicken Campingplatz allerdings nachdenklicher als noch vor zwei Wochen. Inmitten der kargen Landschaft mit Dörfern, in denen zum Teil sehr ärmliche Verhältnisse herrschen, scheint diese Oase merkwürdig fehl am Platz und wir fühlen uns ein wenig wie in einem dieser Resorts, in dem Touristen sich abgeschottet von der Außenwelt aufhalten können, ohne irgend etwas Ungeplantes vom Reiseland wahrnehmen zu müssen. Dieses Gefühl wird noch verstärkt, als am nächsten Tag eine Gruppe mit elf riesigen Wohnmobilen auf den Platz einfällt, die im Convoi von den Niederlanden bis nach Armenien gefahren ist. Neben den großen, voll ausgestatteten Schiffen wirkt unser Henk noch kleiner als er ohnehin schon ist.

Es wird mit all den Wohnboliden recht kuschelig auf dem Platz, aber wir sind ja in diesem Fall nicht wegen des Campingareals hier, sondern weil Heike, Peter und Bruno auf uns warten! Neben Denise und Roger sind sie die einzigen unserer Reisebekanntschaften, die wir inzwischen als Freunde bezeichnen. Es ist einfach super entspannt mit den beiden. Mal beschäftigt sich jeder mit sich selbst, dann wieder sitzen wir stundenlang zusammen und quatschen. Und heimlich basteln wir schon an Plänen, wie wir uns im Iran wieder sehen können...


Henk trifft Landy zum dritten Mal


Iran-Aus?

Doch dann ereignet sich etwas, das droht, unsere Pläne einmal mehr zerplatzen zu lassen. In den Nachrichten lesen wir von dem Angriff auf die saudische Ölraffinerie und den Vermutungen der USA, dass der Iran dahinter steckt. Wir beschließen, die Lage im Auge zu behalten und erst einmal wie geplant unser Visum abzuholen, das uns für heute zugesagt wurde. Doch der Besuch der Iranischen Botschaft läuft so ganz anders ab als beim letzten Mal. Der selbe Mann, der uns vorletzte Woche so freundlich außerhalb der Öffnungszeiten aufgeschlossen hat, weicht heute unseren Blicken aus und ist kurz angebunden. Auch der Mann hinter dem Schalter ist derselbe wie vor zwei Wochen und kann sich offenbar an uns erinnern. Doch auch er wirkt heute angespannt und es ist ihm offensichtlich unangenehm, unser Visum entgegen seiner eigenen Aussage von vor zehn Tagen ablehnen zu müssen. Angeblich reicht die Adresse eines Hostels nicht länger als Kontakt, obwohl er genau diesen Kontakt noch vor zwei Wochen akzeptiert hat. 

Abgelehnt. Das ist nicht unüblich. Wir haben inzwischen einige Reisende getroffen, deren Visum bis zu dreimal abgelehnt wurde, bis sie es über eine Agentur oder direkt bei der Botschaft versucht haben und so letzten Endes doch noch an ein Visum gekommen sind. Doch nach unserer heutigen Erfahrung auf der Botschaft und den alarmierenden Schlagzeilen kommen wir ins Zögern, ob wir überhaupt noch einen weiteren Versuch starten wollen. Da wir mit Henk wegen des hohen Schwefelgehalts im Diesel ohnehin nicht weiter als in den Iran kommen, müssen wir eine Durchreise nicht auf Biegen und Brechen erzwingen.
Andererseits haben wir uns inzwischen schon sehr auf den Iran gefreut und hoffen natürlich sehr darauf, dass sich die Lage bald wieder entspannt.

Kurz gesagt: Es ist eine schwierige Entscheidung, zumal wir darauf brennen, unsere Bekannten in Sanandasch zu besuchen, auf die wir uns schon so lange gefreut haben! Doch am Ende beschließen wir, keinen weiteren Antrag auf Visum zu stellen.

Da sind wir froh, dass wir Heike und Peter haben, die unsere Entscheidung verstehen können, auch wenn sie selbst in den Iran einreisen werden, da sie weiter in den Oman wollen. Gemeinsam haben wir ein paar wirklich schöne Tage im 3G und versichern uns gegenseitig, dass wir uns spätestens in einem Jahr im Pfälzer Wald treffen, wenn wir uns schon nicht im Iran wieder sehen können.
(Unser Ritzel wechselt an dieser Stelle übrigens erneut seinen Besitzer: Heike und Peter erklären sich bereit, das Ersatzteil mit an die iranische Grenze zu nehmen, um es dort Marie und Benno zu übergeben.)


Siegesgewiss vor dem Gang in die Iran Botschaft

Und jetzt? Jetzt sind wir froh, dass wir stets versuchen, so wenig Pläne wie möglich zu machen, denn so hält sich unsere Enttäuschung über unser abgelehntes Visum in Grenzen.
Unsere Reise bekommt einfach mal wieder eine andere Richtung und wir sind auf einmal komplett frei von allen Vorstellungen, die wir uns insgeheim schon von den nächsten Wochen in Persien gemacht haben.

`Richtungswechsel´ statt` Umkehrpunkt´. Wir finden, das klingt richtig gut.


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