Plötzlich zu fünft


Als wir morgens in den Tag starten, ahnen wir noch nicht, dass dieser unsere weitere Reise und unser ganzes Leben auf lange Sicht verändern wird. 


Wir zu fünft

Denn als wir abends auf der Suche nach einem Lagerplatz auf einen Waldweg abbiegen, machen wir zunächst eine traurige Entdeckung: Vor uns auf dem Weg liegt ein totes Welpen. Es scheint noch nicht lange tot zu sein und wir bedauern sehr, zu spät gekommen zu sein. Wären wir doch nur etwas früher hier angekommen!

Da hören wir es plötzlich hinter uns rascheln und die drei noch lebenden Geschwister kommen hinter den Bäumen hervor. Abgemagert und zitternd stehen sie vor uns, bis das kleinste der drei einen beherzten Satz auf uns zu macht. `Ein kleiner Pumuckl!´ entfährt es Johannes, denn unsere Begegnung mit dem kleinen Fellbündel erinnert uns an die Geschichte des kleinen Kobolds, der einmal von einem Menschen gesehen, nach Klabauterehre für immer bei diesem bleibt. Ein Name mit prophetischem Charakter, denn schon nach den ersten Stunden mit den drei kleinen Hunden haben wir sie fest in unser Herz geschlossen. Neben Pumuckl haben wir die kleine Nora, die sich schüchtern hinter einem Baum versteckt einen kleinen Zorro, der mit seinem schwarzen Fell und seinen großen Narben im Gesicht in unserer Fantasie sicher den ein oder anderen Kampf ausgefochten hat, um sich und seine Geschwisterchen im dunklen Wald gegen Angreifer zu beschützen.

Wir versorgen die Hunde mit Wasser und Futter und wollen gleich morgen früh mit ihnen zum Arzt. Für die Nacht räumen wir ihnen eine unserer Kisten aus und bauen ihnen aus Kiste, Wasserkanistern und Decken ein kleines Lager. Die drei schlafen schon bald erschöpft ein, wir dagegen haben eine denkbar schlechte Nacht, fragen uns, ob es nicht zu kalt wird, ob die Welpen zurück finden wenn sie sich zum Lösen nachts raus schleichen und schrecken bei jedem Geräusch hoch. Wegen der Flöhe, die wir bei einem der kleinen gesehen haben, wollten wir sie nicht ins Auto holen und so sehen wir bald alle halbe Stunde nach, ob es unseren Hündchen gut geht. 


Gut dass die drei uns gefunden haben

Dr. Kosmas 

Kaum sind die drei aufgewacht, fangen sie an, kräftig zu zittern und alle fünf fiebern wir den ersten Sonnenstrahlen entgegen. Einen Waldarbeiter, der hier immer wieder vorbei kommt, fragen wir nach der Mutter, doch der schüttelt nur mitleidig den Kopf und meint, dass die Welpen hier wohl ausgesetzt wurden. Seit drei oder vier Tagen seien sie schon hier und wir fragen uns insgeheim, wie man mehrfach am Tag an den kleinen Tierchen vorbei fahren und ihnen beim Verhungern zu sehen kann. Und doch ist der Mann sehr nett und wünscht uns viel Glück mit den dreien. Dass hier einfach ein anderes Verhältnis zu Tieren und Hunden im besonderen herrscht, wird später auch der Tierarzt bestätigen.

Wir nehmen uns Zeit, uns noch ein wenig gegenseitig zu beschnuppern und das tote Geschwisterchen zu begraben, dann geht es los zu Dr. Kosmas, der eine Praxis in der nahe gelegenen Stadt hat und über einen guten Ruf verfügt.
Er bestätigt uns, dass die Kleinen mit etwa sechs Wochen noch keine Überlebenschancen im Wald gehabt hätten und so sind wir sehr froh, die drei mitgenommen zu haben. Er beschreibt uns das weitere Vorgehen: Erst werden die Hunde entfloht, bekommen eine Wurmkur verabreicht, werden geimpft und gechipt. Dann wird er sie dem örtlichen Tierheim übergeben.

Wir schauen uns an und wissen mit einem Schlag, dass das für uns nicht in Frage kommt. Gerade gestern haben wir während der Fahrt einen Bericht über griechische Tierheime gehört, die zum Großteil heillos überfüllt sind und wollen nicht, dass `unsere´ Tiere dort aufwachsen. Darüber, ob wir die drei, oder nicht wenigstens einen der Hunde bei uns aufnehmen können, haben wir natürlich schon auf der Herfahrt gesprochen, doch nun ist es einfach klar: Wir haben dreifachen Familienzuwachs!

Dr. Kosmas freut sich sichtlich darüber und macht sich an die Arbeit. Gerade einmal 1,5 Kilogramm wiegen die Hunde und kommen uns hier auf dem Behandlungstisch noch kleiner vor als vorhin im Wald. Während unsere Hunde danach gleich wieder einschlafen, geht der Tierarzt an den Schreibkram. Denn für die Weiterreise benötigen die Hunde ebenso wie wir einen Reisepass. Die Frage nach den Namen der drei bringt uns kurz aus dem Konzept. Pumuckl, Zorro und Nora sind Streunernamen, die wir ihnen wie allen Hunden, die uns auf unserer Reise begegnen, nach der ersten Assoziation verliehen haben, um uns auch später noch an sie zu erinnern. Doch sollen wir sie wirklich dauerhaft so nennen? Zumal inzwischen klar ist, dass wir es mit drei kleinen Mädels zu tun haben... Nun ja, warum nicht, immerhin haben alle drei Namen tiefe Vokale, die Hunde angeblich besser verstehen.

Kurz vor Schließung des Bürgerdienstes reichen wir am Schalter die Papiere ein und dann sind wir erst einmal fertig für heute, um in zwei Tagen zum Abholen der Pässe wieder vorbei zu kommen.


Dr. Kosmas bei der Arbeit

Und jetzt? 


Wir sind noch ganz benommen von der Wendung, die unsere Reise innerhalb von 24 Stunden genommen hat und überlegen, was der nächste Schritt ist. Es sieht nach schlechtem Wetter aus und so ist es unseren neuen Mitbewohnern geschuldet, dass wir uns zum ersten Mal in dreieinhalb Monaten ein Häuschen über AirBnB mieten und für zwei Tage seit langem mal wieder in vier Wänden wohnen mit richtiger Dusche, richtiger Küche und richtigem Bett.
Außerdem haben wir hier die perfekten Bedingungen, um heraus zu finden, wie es um Johannes Tierhaarallergie bestellt ist. Schon seit Tagen kitzelt und juckt es ihn in der Nase, sodass es schwer zu sagen ist, ob die Hunde etwas damit zu tun haben, oder es ausschließlich an bestimmten Gräsern im Wald liegt. Zumindest ist sicher, dass es bei weitem nicht so schlimm ist wie mit Katzen, von deren Haaren er ohne entsprechende Medikamente Atemnot bekommt. Was wir erst nicht wissen, ist dass genau so ein Exemplar den Garten des Häuschens bewohnt. Nun haben wir zwar keine optimalen Bedingungen für den Allergietest, sind aber trotzdem froh, als wir die Katze entdecken, denn Johannes klagt in der Nacht tatsächlich über Asthma und wir befürchten das schlimmste. Eine wahre Achterbahnfahrt und wir nehmen uns vor, uns erst richtig über unseren Zuwachs zu freuen, wenn wir wissen, dass wir die Hündinnen auch wirklich behalten können.
(Um es vorweg zu nehmen: Nach den ersten Wochen mit den drei Mädels können wir sagen, dass Johannes definitiv nicht allergisch ist – und wir sind überglücklich...)

Den ersten Abend zu fünft stellen wir uns denkbar schlecht an und können froh sein, dass wir eine Unterkunft mit durchgehend gefliestem Boden haben, denn ehe wir merken, dass eines der Mädels raus muss, ist es auch schon passiert – und bis wir das Malheur beseitigt haben, haben es die anderen beiden bereits nach gemacht. Dazu werden die drei nach einer ordentlichen Mahlzeit richtig munter und wir kommen kaum hinterher. Als wir die drei kleinen Hunde in ihr Bettchen gebracht haben, sind wir kurz verunsichert. Wir sind nicht ganz naiv und haben es uns in etwa so vorgestellt. Aber neben dem Tohuwabohu ist jetzt zu klären, wie die weitere Reise von statten gehen soll, denn Henk ist unter den Wohnmobilen sicher das kleinste seiner Artgenossen und so winzig bleiben die momentan 4,4 Kilo Hund ja auch nicht! 


Kommt Zeit kommt Rat. Knapp vier Monate unterwegs haben uns tiefenentspannt werden lassen und so geht es auch für uns erst einmal ins Bett...
Und siehe da, den nächsten Tag klappt es schon viel besser und wir haben große Freude daran, zu sehen, wie Nora, Zorro und Pumuckl sich begeistert auf ihr Futter stürzen, immer mutiger den Garten erkunden und am Ende des Tages sogar Hühner jagen wollen, die dreimal so groß sind wie sie selbst!

Während Marie nebenbei Wäsche wäscht, rückt Johannes unserem Gepäck zu Leibe. Wir dachten, wir hätten nur das Nötigste dabei und werfen nun auch davon noch einiges raus um Platz für Hunde zu schaffen. Gut dass Henk so hoch ist, denn so können die drei erst einmal unter uns schlafen. Sobald sie größer werden, müssen wir wohl mit einem Anhänger anbauen, in dem wir auch einige unserer Kisten unterbringen werden, damit die drei während der Fahrt den gesamten hinteren Teil des Wagens zur Verfügung haben.
Vielleicht kommt uns bei drei Hunden sogar zu Gute, dass unser Fahrzeug zu klein ist, um tagsüber darin zu leben. So werden sie nicht einfach in unser beengtes Zuhause geholt, sondern leben mit uns draußen, denn wir sehen Henk mehr als fahrendes Zelt denn als Wohnmobil und verbringen außer zum Schlafen und Fahren die restliche Zeit des Tages außerhalb.
Und bei Regen... Naja... wir werden die nächsten Tage Gelegenheit haben, genau das auszuprobieren....


Platz schaffen für unsere neuen Mitreisenden


Rudel im Wald 

Als wir bei Dr. Kosmas die Reisepässe abholen, gibt er uns den Tipp, zum Übernachten nach Pertouli in den Bergen zu fahren. Wir sind skeptisch, fragen uns, ob das für unsere drei nicht zu kalt wird. Doch der ebenso freundliche wie gelassene Arzt zuckt abgeklärt mit den Achseln. Wir sollen ihnen einfach ein schönes warmes Bett machen, das würden sie mit ihrer Körperwärme dann schon warm halten können.

Der Weg durch die Berge ist traumhaft schön. Der Herbst beginnt auch in den Wäldern Griechenlands und wir fahren durch eine wunderbare bunte Herbstwelt. Obwohl Marie davon nicht allzu viel mit bekommt, da sie ständig schaut, wie es den Kleinen geht, die aber prima schlafen, nachdem sie vor der Fahrt noch ordentlich herum getollt sind.
Wir finden eine perfekte Waldlichtung mit terrassenartigen geraden Flächen und einigen verlassenen Feuerstellen. Vermutlich ein ausgedienter Campingplatz mitten im Wald, den wir aber momentan komplett für uns haben. Perfekt. Hier können wir Pumuckl, Nora und Zorro ohne Sorge vor Straßenverkehr laufen lassen und haben Zeit und Ruhe, uns etwas besser kennen zu lernen. Zwischendurch gibts immer mal wieder eine kleine `Schulstunde´ , denn bei drei Hunden, denen wir gerne viel Freiheit geben wollen, ist uns wichtig, dass zumindest der Rückruf gut klappt und unsere gelehrigen Schüler begreifen schnell, was wir ihnen mit `Komm´ sagen wollen. Auch was `Nein´ heißt, merken sie schon bald, denn gemeinerweise spielt sich unser Leben mit all seinen interessanten und verbotenen Dingen momentan hauptsächlich auf dem Boden ab... Übel scheinen sie uns das alles nicht zu nehmen, suchen unsere Nähe, werden unruhig, wenn einer von uns beiden Holz holen geht oder ähnliches und schlecken uns nach Herzenslust ab.

Ein Idyll inmitten dieser traumhaften Landschaft; so könnte es eine Weile weiter gehen. Vorräte haben wir genug und Zeit ohnehin. Doch am Horizont tauchen die ersten dunklen Wolken auf und trüben unsere Vorfreude auf die nächsten Tage. Weiter ziehen kommt aber erst einmal nicht in Frage. Zum einen wollen wir die drei nicht jeden Tag in einer anderen Umgebung aufwachen lassen, zum anderen müssen wir ja auch in Zukunft zu fünft schlechtes Wetter aushalten. Also verlegen wir die Koch- und Feuerstelle unter ein paar besonders dichte Bäume, dichten die Lücke über dem Hundelager mit unserem großen Regenschirm ab und machen es uns unter dem Blätterdach gemütlich, während es sich draußen einregnet. Unseren Mädels scheint das alles nichts auszumachen. Sie stecken trotzdem ihre Näschen raus in den Regen und gehen zielstrebig `vor die Tür´wenn sie mal müssen. Danach wird sich kurz geschüttelt und dann in die Nähe des Feuers gesetzt um das Fell zu trocknen. Neidlos müssen wir anerkennen, dass sie die eindeutig besseren Regensachen tragen als wir. Als es dann doch zu heftig wird, wird das Hundebett kurzerhand in unser Heckzelt verlegt, über das wir heute ganz besonders froh sind.

Ob unsere Kleinen begeistert davon sind, bei zwei naturbegeisterten Waldschraten gelandet zu sein?! Es scheint sie zumindest nicht groß zu stören und wir sind stolz auf unsere wilden Mädels, die sich bei dem schlechten Wetter tapfer geschlagen haben.


Unsere gemütliche und (fast) regendichte Waldwohnung


Meteora 

Im Nachhinein sind wir ganz froh, gleich mal für den Ernstfall Regen geprobt zu haben. Doch auf eine Woche lang schlechtes Wetter haben wir auch keine Lust, weshalb wir nach ein paar Tagen weiter fahren. Eine Woche ist seit unserem Fund vergangen und da wir fast den selben Weg zurück fahren, den wir gekommen sind, ist es wie aus einem Zeitloch heraus zu fahren. Wo wollten wir noch gleich hin vor einer Woche? Ach ja, zu den berühmten Klöstern von Meteora, die hoch oben auf riesigen alleinstehenden Felsen thronen. Na dann fahren wir doch dort hin! Die Gelegenheit ist günstig, denn die Kleinen schlafen gerade schön. Die Klosteranlagen sind tatsächlich faszinierend. Sie sitzen wie angeklebt auf den Gipfeln und scheinen mit den Felsen geradezu zu verschmelzen. Dass wir wegen der Hunde nur an einer Stelle kurz aussteigen, finden wir nicht allzu schlimm, denn diese Schönheit zieht außer uns natürlich etliche andere Menschen an und wir haben gar keine große Lust, uns in die Besucherströme einzureihen.

Zum Schlafen gehen wir einfach noch einmal an den Platz, an dem wir sie vor einer Woche gefunden haben, da wir mit Nora, Pumuckl und Zorro nicht ewig auf Schlafplatzsuche gehen wollen. Wieder am Ausgangspunkt unserer Rudelbildung können wir es kaum fassen, dass uns diese drei Lebewesen gefunden haben und nun bei uns sind.
Doch heute hören wir es nicht allzu weit von dem Platz Kläffen und sind auf der Hut. Zu wenig wissen wir, wie andere Hunde auf kleine Welpen reagieren und zuviel ungute Geschichten haben wir gehört von angriffslustigen Hirtenhunden. Wir nehmen dies zum Anlass, es einmal mit einer langen Leine zu probieren. Dazu wird unsere elastische Wäscheleine kurzerhand in drei Stücke geschnitten und mit Karabinerhaken an den kleinen Halsbändern befestigt, die wir vorsorglich geholt haben. So haben sie immer noch eine Reichweite von bestimmt vier Metern und wir schauen einfach mal was sie davon halten. Nicht viel so wie es aussieht. Zorro und Pumuckl scheint es nicht viel auszumachen, doch Nora gerät direkt in Panik, sodass wir das Ganze für heute abbrechen.

Als wir am nächsten Tag an einem winzigen Städtchen halten und uns überlegen, wer von uns im Ort nach einem Laden schauen soll, schlägt Johannes spontan vor, es noch einmal zu probieren. Denn der Ort liegt auf einem Berg in einer Sackgasse, in der Durchgangsverkehr verboten ist. Wir versuchen es einfach nicht als Trainingseinheit, sondern als entspannten Spaziergang zu sehen und siehe da: Unsere drei Mädels traben neben uns her als hätten sie nie etwas anderes getan! Mit lockerer Leine müssen wir sie kaum motivieren loszulaufen und vor allem unsere kleine Pumuckl läuft mit konzentriertem Blick auf den Weg, als könne sie niemand mehr stoppen. Wir sind überglücklich, denn quälen wollen wir unsere Kleinen natürlich nicht und so scheint es ihnen richtig Spaß zu machen. Trotzdem setzen wir uns nach etwa hundert Metern als einzige Gäste auf die Terrasse eines Cafes und lassen sie erst einmal eine Runde schlafen. Trotz ihres Temperaments wollen wir nicht vergessen, dass es immer noch Kleinkinder sind, für die das eine ganz schön weite Strecke war. 


Hier zu sitzen tut auch uns beiden gut, denn natürlich dreht sich unsere ganze Welt momentan um unseren Zuwachs und bei einem kühlen Bier und einer Limonade einfach so da zu sitzen gefällt uns nach Matsch und Wald auch mal wieder ganz gut. Mit drei schlafenden Hündchen neben uns drehen sich unsere Gespräche natürlich trotzdem um Hunde. Während Johannes schon immer einen Hund wollte, war Marie eher skeptisch. Doch auf der Reise hat auch sie an dem Gedanken Gefallen gefunden, denn die auf der Straße lebenden Hunde, von denen wir in den vergangenen Monaten einige getroffen haben, agieren meist so viel umsichtiger und respektvoller als die meisten Hunde, die wir von Zuhause kennen. So manchen Streuner haben wir lieb gewonnen und hätten ihn am liebsten mitgenommen, doch wir wissen beide, dass es frei lebenden Hunden aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen in einem festen Heim nicht zwangsläufig besser geht. Und da wir uns kein fachmännisches Urteil erlauben können, wollten wir davon besser die Finger lassen. Ohne jegliche Erfahrung gleich drei Welpen zu adoptieren wäre uns erst recht nicht eingefallen!
Doch da die drei Kleinen ohne Hilfe wie ihr Geschwisterchen im Wald gestorben wären, sehen wir es einfach als glückliche Fügung oder sogar Schicksal, dass wir die drei an jenem Nachmittag gefunden haben. Immerhin waren wir schon an dem Waldweg vorbeigefahren und haben nur durch Zufall noch einmal gedreht um es doch mit der Ausfahrt zu versuchen! Irgendwie sollte das wohl so sein...

Nach Gedanken über Schicksal und Vorsehung kommen wir aber schnell wieder zu konkreteren Dingen: Auf die übervolle To Do Liste für uns frischgebackene Hundehalter setzen wir nach unserem Spaziergang drei Brustgeschirre, denn Hundehalsbänder sind gewiss nicht das Optimale für kleine Hundehälse...


Erster Spaziergang


Berg und See 


Die nächsten Tage verbringen wir auf einer Weide in den Bergen, wo wir eine grandiose Aussicht auf ein riesiges Bergmassiv und unsere Kleinen gut im Blick haben. Abends kommen Pferde und Kühe vorbei und wir genießen die Natur in vollen Zügen.
Da sich unser Zusammenleben mit Pumuckl, Zorro und Nora inzwischen ein wenig eingespiel hat, haben wir endlich Zeit, uns intensiver mit Hundehaltung zu befassen. Einiges haben wir schon nachgelesen oder wissen wir von anderen Hundehaltern, doch vor allem Ernährung ist ein Thema, bei dem noch Nachholbedarf besteht. Zwar hat es uns der Tierarzt erst einmal einfach gemacht, indem er uns zu Trockenfutter geraten und uns auch direkt eine große Packung mitgegeben hat, doch auf lange Sicht sind wir skeptisch, ob das allein für Welpen so gesund ist.
Und dann wollen wir auch etwas darüber wissen, was man beim Großziehen von drei gleichalten Welpen beachten muss. Sollen wir Kommandos einzeln oder gemeinsam üben? Und wieviel Balgen ist in Ordnung? Denn gerade die schüchterne Nora hat ordentlich aufgeholt und teilt ganz schön aus.

Was wir daraufhin im Internet lesen, macht uns richtig fertig. Die Mitglieder von Hundeforen überbieten sich gegenseitig an Horrorgeschichten von Hündinnen, die sich spätestens mit der ersten Läufigkeit bis aufs Blut bekriegen, ob kastriert oder nicht spiele gar keine Rolle. Wir wissen natürlich, dass sich im Netz eher die Menschen zu Wort melden, bei denen es Probleme gibt, während in problemlosen Fällen meist gar nicht der Bedarf besteht, sich in einem Forum darüber auszutauschen, doch wir können es nicht lassen, immer weiter zu lesen – es muss doch wenigstens einen Fall geben, bei dem das Halten von drei weiblichen Wurfgeschwistern ohne große Kämpfe abläuft!
Anscheinend nicht. Und in unserer Sorge wird jedes eifersüchtige Knurren von Nora, jeder Rempler der kleinen Pumuckl als Indiz für spätere Feindseligkeiten gesehen. Allein Zorro hält sich meist aus Rangeleien raus und untersucht lieber Stöcke und Steine auf ihre Essbarkeit.

Bedrückt fahren wir an einen nahe gelegenen See weiter, der einsam an einer kaum befahrenen Landstraße liegt. Für die wunderschöne Landschaft durch die wir fahren oder die traumhafte kleine Bucht, für die wir uns entscheiden, hat vor allem Marie kaum einen Blick übrig. Am Lagerfeuer, die schlafenden Mädels neben uns, spricht sie unter Tränen aus, worüber wir uns beide Gedanken machen: Ob wir den dreien wirklich einen Gefallen damit tun, sie gemeinsam aufwachsen zu lassen? Ob es für sie nicht vielleicht besser wäre, sie jetzt zu trennen, wo es ihnen noch leichter fällt? Doch wen von den dreien sollen wir dann her geben? Wir haben unsere drei Mädchen, die so unterschiedlich sind, jede einzeln ins Herz geschlossen und können unmöglich entscheiden, wer bei uns bleiben soll und wer nicht.

Nachts schläft Marie kaum und startet einen letzten Versuch im Internet. Dabei stößt sie auf die Seite einer Hundetrainerin und weiß sofort: Die fragen wir um Rat.
Denn Clarissa von Reinhardts Seite überzeugt uns beide direkt durch Professionalität und die Einstellung zu Hunden, die aus ihren Texten hervor geht. Ohne groß nachzudenken schreiben wir ihr gleich am nächsten Morgen eine Mail, in der wir unsere Situation schildern und bitten Frau von Reinhardt um ihre Meinung. Wir freuen uns sehr, dass sie uns noch am selben Tag antwortet und uns anbietet, sie am nächsten Tag anzurufen.

Das tun wir und sind schon nach den ersten Sätzen überzeugt, uns an die richtige Person gewandt zu haben. Frau von Reinhardt ist durchaus energisch und wir können uns gut vorstellen, dass sie ihre sieben Hunde gut im Griff hat. Gleichzeitig spricht aus jedem ihrer Worte die Liebe zu den Tieren und wir sind uns sicher, dass sie uns ganz im Sinne der Hunde beraten wird, selbst wenn die Antwort uns nicht gefallen würde. Doch diese Sorge ist unbegründet. Zwar fragt sie gründlich nach, ob wir den Hunden in unserer momentanen Lebenssituation auch genug Platz bieten können, doch das Problem mit drei heranwachsenden Hündinnen sieht sie gelassen. Sie gibt uns nicht nur bezüglich Kastration, sondern auch im Bezug auf Ernährung und Schlaf wertvolle Tipps. Das Wichtigste scheint ihr jedoch zu sein, nicht alles aus dem Internet für bare Münze zu nehmen und mehr auf sein Bauchgefühl und seinen gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Das ist ganz in unserem Sinne und auch dass sie selbst wenig Wert auf Dinge wie das Erlernen von Befehlen wie `Sitz´und `Platz´ legt, macht uns die bodenständige Trainerin sympathisch. Denn unser Wunsch ist zwar, die drei gut zu erziehen, doch willenlos dressierte Hündchen wollen wir nicht.

Ein ganz persönliches Anliegen hat Frau von Reinhardt dann aber doch noch. Die drei Namen, die wir ausgewählt haben, findet sie schlicht und ergreifend furchtbar. Energisch redet sie uns ins Gewissen, dass ein Name wie Zorro auch in uns als Haltern etwas auslöst und fragt uns, ob wir ein Mädchen kennen, das gerne Rüdiger heißen würde...
Zähneknirschend müssen wir ihr Recht geben, denn auch wir stolpern hin und wieder über die Namen, die den dreien provisorisch nach unserer ersten Assoziation verliehen wurden, die uns aber für unsere neuen Familienmitglieder selbst unpassend vorkommen.
Lange überlegen wir, bis wir uns auf neue Namen fest legen. Dann schleichen wir uns zu den drei schlafenden Mädels und verkünden ihnen ganz leise, dass sie von nun an Islay (ehemals Pumuckl), Nora (der Name gefällt uns nach wie vor für sie) und Elly (vormals Zorro) heißen und wir nun sicher sind, dass wir sie nie mehr her geben.

Das Gespräch mit der Hundetrainerin nehmen wir als Schlusspunkt eines ersten Kapitels mit den drei Welpen. Zwei Wochen sind inzwischen vergangen, in denen wir immer wieder überlegt haben, ob und wie wir als unerfahrene Hundehalter das Großziehen von drei Hunden auf der Reise und Zuhause bewerkstelligen können. In denen wir unsicher waren, was das Beste für die drei ist und in denen wir dementsprechend Höhen und Tiefen durchlebt haben.

Doch wenn wir Elly, Islay und Nora unbeschwert und fröhlich am Strand herum tollen sehen, nachdem sie sich noch vor zwei Wochen abgemagert und scheu im Laub unter Bäumen verkrochen haben, dann sind wir uns ganz sicher, uns richtig entschieden zu haben und neugierig darauf, was das Leben mit den dreien noch für Überraschungen für uns bereit hält.


Unser stiller See


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