Fünf Tage, vier Grenzen, drei Hunde, zwei Chaoten und einmal im Kreis

Auf unseren insgesamt recht geruhsamen Aufenthalt in Nordmazedonien folgt mal wieder eine etwas turbulentere Etappe, bei der wir in gerade einmal fünf Tagen vier Ländergrenzen passieren – um am Ende ziemlich genau dort wieder anzukommen, wo wir gestartet sind...

Am Feuer ist es noch gemütlich.
Aber allmählich wird es unseren Hunden nachts zu kalt.


Nordmazedonien – Serbien 


Wir fahren nach Serbien und suchen uns (mal wieder) einen schönen Platz an einem See namens Vlasinasee. Die Gegend ist bei den Einheimischen als Ausflugsziel sehr beliebt, aber auch viele Bulgaren treffen wir aufgrund der Nähe zu Sofia. Wir werden mehrmals fröhlich angesprochen und schließlich wird Johannes von einer Familie eingeladen, selbst gebrauten Slipovic zu trinken, während Marie bei den Hunden bleibt, die gerade einen Mittagsschlaf im Henk machen. Boris erzählt, dass die Familie häufig hier her kommt und dass es bemerkenswert mild für diese Jahreszeit ist. Im Übrigen sei nicht nur der Slipovic aus eigener Herstellung, sondern auch das Fleisch. Stolz ruft er seinen etwas übergewichtigen Sohn zu sich: `Gutes Fleisch. 7 Jahre und wiegt schon 45 Kilo...!´

Bei sonnigem Herbstwetter gefällt es uns gut hier, doch schon in der zweiten Nacht trifft ein, wovor wir uns seit Tagen insgeheim fürchten: Es wird richtig kalt und schon bei der ersten `Pipipause´ stellen wir fest, dass das Wasser im Hundenapf gefroren ist. Wir selbst sind mit unseren dicken Schlafsäcken für Minusgrade ausgerüstet, doch für unsere Hunde, von denen zwei gerade mit Antibiotika behandelt werden, ist uns das eigentlich zu kalt. Wir hatten gehofft, das für diese Jahreszeit erstaunlich milde Klima würde noch für eine kleine Balkanschleife reichen, an deren Ende wir uns ab der zweiten Novemberhälfte an der Küste Montenegros bis zu unserer Unterkunft in Albanien entlang hangeln würden. Doch auf der Terrasse eines Restaurants mit WLAN stellen wir fest, dass auch die Temperaturen an der Küste zum Teil im einstelligen Bereich liegen. Spaßeshalber schauen wir, ob es über Airbnb eventuell eine günstige Unterkunft in der Nähe gibt, in der wir die Zeit bis Dezember überbrücken können und werden auf Anhieb fündig. Ein modernes Häuschen wird komplett mit Garage und allem drum und dran für 200 Euro pro Monat angeboten! Haustiere sind auch erlaubt und die Vermieterin, die wir umgehend anschreiben, macht einen netten Eindruck. Witzigerweise ist sie gerade in Deutschland, doch ihre Familie wird uns aufschließen und uns alles zeigen. Wir können gleich morgen einziehen, was allerdings bedeutet, dass wir gerade einmal drei Tage in Serbien verbracht haben, denn das Schnäppchenhaus liegt im Kosovo, auf den wir besonders neugierig sind.

Wir überlegen nicht lange und geben unserer Gastgeberin Bescheid, dass wir uns direkt auf den Weg machen. Zuvor schicken wir ihr noch den Link unserer Seite, damit sie sich vorab ein Bild von uns machen kann.


Spielen am See

Serbien – Kosovo

Kosovo. Schauplatz des jüngsten Krieges Europas. Wir können uns gut erinnern, wie noch in unserer Jugendzeit Bilder von zerstörten Städten und verzweifelten Menschen durch die Nachrichten geisterten und wissen gar nicht recht, was uns erwartet. Wir hoffen, bei längerer Zeit an einem Ort intensiver mit unseren kosovarischen Nachbarn ins Gespräch zu kommen.

Die Grenze ist bald erreicht und unsere erste Nacht im Kosovo verbringen wir auf dem Parkplatz einer Bärenauffangstation, wo gegen Abend nicht allzu viel los ist. Allerdings leben hier einige streunende Hunde, unter anderem eine Mutter mit ihren sieben Junghunden, von denen einer allein bestimmt sechs mal so groß ist wie unsere Kleinen. Noch vor einem Monat hätten wir die jungen Hunde sooo süß gefunden, doch inzwischen sind wir ein eigenes Rudel und das bedeutet für uns im Klartext, dass wir unsere Familie auch gegen niedliche Hunde verteidigen, wenn diese uns zu nahe kommen. Und das tun sie definitiv. Erst schleichen sie in einigem Abstand um unseren Henk, was uns noch nicht weiter stört. Mit einbrechender Dunkelheit kommen dann vereinzelt Hunde zu uns, um uns gehörig an zu kläffen und unsere Welpen, die eigentlich nicht auf den Mund (beziehungsweise auf die Schnauze) gefallen sind, verstecken sich ängstlich zwischen unseren Beinen. Wir sind wachsam, machen uns aber noch keine großen Gedanken, haben wir bisher doch nur positive Erfahrungen mit Straßenhunden gemacht. Doch dann eskaliert die Situation. Die gesamte Meute samt Elterntieren und ein paar anderen Hunden, die wir zuvor noch nicht gesehen haben, formiert sich in einem großen Kreis um unser Auto und kommt bellend langsam näher. Während Marie die Welpen, die das Geschehen mit großen Augen verfolgen, ins Auto scheucht, lässt Johannes einen wahren Urschrei los und rennt mit erhobenem Stock auf das fremde Rudel zu. 
Das verstehen die Tiere (leider) nur zu gut und wir werden fortan in Ruhe gelassen. Johannes erntet indes bewundernde Blicke von seinen vier Mädels... 

Am nächsten Morgen ist daher auch nicht Bären gucken angesagt, sondern fluchtartiger Aufbruch aus dem fremden Revier zu unserem temporären Zuhause.
Bei unserer Fahrt durch den Kosovo sehen wir viel Landwirtschaft, fahren durch ein Dorf mit alten, zerfallenden Häuschen aus Lehmziegeln, um dann wieder hypermoderne Wohnhäuser neben den Straßen stehen zu sehen. Wir schauen neugierig aus dem Fenster und sind gespannt, wie `unser´ Viertel wohl aussehen mag. Dort angekommen sind wir nicht unbedingt begeistert. Umringt von der großen Hauptverkehrsstraße, einer stillgelegten Fabrikanlage und einem Zementwerk, befindet sich unser Häuschen in einer Neubausiedlung, die für unseren Geschmack ein wenig zu modern und steril wirkt. Doch was solls. Nach fast fünf Monaten auf der Straße haben wir kein Problem damit, die nächsten Wochen auch mal wieder Zeit innerhalb unserer vier Wände zu verbringen und malen uns in Gedanken bereits aus, ob wir zuerst die Waschmaschine anstellen oder unter die Dusche springen.

Dann das böse Erwachen an der Eingangstür: `Sie haben einen Hund!´ werden wir mit finsterem Blick begrüßt. `Nein. Wir haben drei ´, antwortet Johannes und wir ahnen bereits, was nun folgt. Nämlich ein hitziger Wortwechsel darüber, dass die Hunde nicht ins Haus dürfen, dass dies aber anders auf der Airbnb Seite angegeben ist und schließlich die Begründung, dass Hunde ja keine Haustiere sind...
Da eine sachliche Unterhaltung kaum möglich ist und wir keinerlei Interesse verspüren, die nächsten Wochen in direkter Nachbarschaft mit der unfreundlichen Frau zu verbringen, halten wir uns nicht lange mit Diskussionen auf, sondern fahren schon nach wenigen Minuten weiter. Merkwürdigerweise sind wir dabei sogar recht gelassen. Natürlich ärgern wir uns darüber, den weiten Weg umsonst hier her gefahren zu sein, aber irgendwie sind wir auch nicht traurig, nun doch nicht in ein Häuschen zu ziehen, das uns weder von seinem Stil noch von seiner Lage so richtig zu sagt.

Für Marie ist der Fall schon nach den nächsten Kurve abgehakt und sie überlegt, was für Alternativen in Frage kommen. Johannes ist zum Glück hartnäckiger und so fahren wir auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums, wo wir kostenlosen Internetempfang haben. Hier schreibt Johannes den Kundenservice von Airbnb an und setzt damit eine sechststündige Prozedur zur Behebung des Problems in Gang... 


Um es kurz zu machen: Wir bekommen ein paar Alternativen angeboten, die uns als Appartments mitten in Pristina mit drei Hunden jedoch wenig überzeugen. Ein Angebot jedoch lässt unsere Augen leuchten. Ein kleines Steinhäuschen mit Holzofen mitten in der Natur an einem kleinen Flüsschen gefällt uns unheimlich gut – liegt jedoch weit über unserem Budget. Auf unsere Frage hin wird uns zugesichert, dass die Differenz von Airbnb übernommen wird. Das geht am Ende zwar nicht ganz auf, aber immerhin bewegt sich die Zuzahlung Dank Gutschein in einem so moderaten Rahmen, dass wir uns für diese Option entscheiden. Zwar möchte die Gastgeberin uns die Unterkunft zunächst nur für eine Woche vermieten, da ab November damit zu rechnen ist, dass die Wasserleitungen einfrieren, doch nach etlichen Stunden auf dem blöden Parkplatz einerseits und der erfreulichen Aussicht auf das Häuschen andererseits sagen wir trotzdem zu und sind sehr froh, nun nicht mehr in der Luft zu hängen.


Das wäre unser Haus gewesen...

Kosovo – Serbien – Nordmazedonien 


Umgehend machen wir uns auf den Weg zurück nach Nordmazedonien – denn dort steht das Häuschen ironischerweise.* Etwas wehmütig verlassen wir den Kosovo also bereits nach kürzester Zeit wieder und bedauern sehr, diese Gegend nicht mehr erkunden zu können. Wir haben kaum Eindrücke gesammelt und können doch auch im Kosovo schon nach 24 Stunden bestätigen, was wir bisher in jedem Land festgestellt haben: Überall gibt es Menschen, die einem unfreundlich begegnen und überall gibt es mindestens genauso viele Menschen, die einem freundlich entgegen kommen. So werden wir auf einem Feldweg in der Nähe eines Restaurants, wo wir unsere Hunde abgeschirmt vom Straßenverkehr in Ruhe füttern, unter wüsten Beschimpfungen und Androhung der Polizei vom Ladenbesitzer begrüßt, um wenige Stunden später bei einem Cafe gleich zwei Einladungen auf ein Getränk ausgesprochen zu bekommen. Völlig perplex sind wir aber, als ein Mann auf uns zu kommt und uns 20 Euro zusteckt. `Für Medikamente für die Hunde´ ruft er uns zu, denn wir sind gerade dabei, Elly und Islay zu verarzten. Kaum können wir das Geld dankend ablehnen, so schnell ist der Mann auch schon wieder verschwunden. Wir freuen uns über diese freundliche und großzügige Geste, fragen uns aber auch, in wie weit diese Johannes verwildertem Erscheinungsbild geschuldet ist...

Doch zurück zu unserem Roadtrip: Es ist bereits Mittag, als wir aufbrechen und wir hoffen, dass die Hunde, die heute wenig Auslauf hatten, gut mit machen. Natürlich wählen wir die kürzeste Strecke über eine Grenze, die direkt vom Kosovo nach Nordmazedonien führt. Von der Grenze aus ist es nicht mehr weit und so atmen wir auf, als wir die ersten Schilder Richtung Nordmazedonien sehen.
Wir trauen kaum unseren Augen, als wir plötzlich vor einer großen Absperrung stehen. Aufgrund einer Baustelle ist der Grenzübergang vorübergehend gesperrt!
Trotzdem steigen wir kurz aus, denn die Kleinen müssen sich mal die Beinchen vertreten und Marie, deren Kopfschmerzen beständig stärker werden, will frische Luft schnappen.

Einmal kurz durchatmen und weiter gehts. Die nun kürzeste Route führt uns mit einem Umweg über Serbien ans Ziel. Fast möchten wir schreien, als wir kurz vor der Grenze erneut vor einem Hindernis stehen. Auf dem hier aufgestellten Schild steht neben englisch und serbisch auch in deutscher Sprache unmissverständlich: `Sie sind im Begriff Serbien zu betreten – KFOR / Kehren Sie um´. Sollen wir es dennoch riskieren? Was soll schon passieren? Andererseits ist es bereits dunkel und Henk ist weit und breit das einzige Auto, das auf der kleinen Straße unterwegs ist. Wir beschließen, in einem erleuchteten Bauernhaus um Rat zu fragen und sind erleichtert, als der Bauer nur gleichgültig mit den Schultern zuckt. Ob wir Deutsche seien, möchte er wissen. Denn als Deutsche könnten wir doch sowieso überall durch...
Wie zur Bestätigung sind in der Zwischenzeit auch andere Autos aufgetaucht, die Richtung Grenze fahren und auch wir kommen schließlich ohne Zwischenfälle nach Serbien. Mit knapp einer Stunde Fahrt definitiv der kürzeste Landesaufenthalt unserer bisherigen Reise, bevor wir schließlich auch noch die letzte Grenze nach Nordmazedonien passieren.

Gleich geschafft. Nur vier Kilometer hinter der Grenze liegt die kleinen Ortschaft Pelince, wo etwas abseits auf einem Hügel unser Häuschen steht. Schon von weitem sehen wir die erleuchteten Fenster und aus dem Schornstein steigt gemütlicher Rauch auf. Endlich angekommen werden wir herzlich von Goce und seiner Frau begrüßt. Die beiden haben schon alles für uns vorbereitet, Feuer im Ofen gemacht und im Kühlschrank sogar selbstgebackene Teilchen für uns bereit gestellt. Wir sind begeistert von dem gemütlichen Häuschen und der liebevollen Einrichtung. Das passt so viel besser zu uns als ein modernes Retortenhaus in einem asphaltierten Neubaugebiet!

Alle weiteren Erkundungen verschieben wir auf morgen. Duschen und ins Bett ist für heute die Devise.



Das passt doch besser zu uns!

*Wer bei unserem letzten Eintrag den letzten Absatz aufmerksam gelesen hat, erinnert sich vielleicht an unseren Übernachtungsplatz in der Nähe der prähistorischen Sternwarte in Kokino. Unser Häuschen ist gerade mal acht Kilometer Luftlinie davon entfernt!


Wer jetzt immer noch ne Anleitung benötigt: Hinter diesem Link gibt es weitere Bilder ;)
https://photos.app.goo.gl/k7F1yALfjX8t5Ug39