Georgien IV - entspannter Abschluss

Der Geheimgang aus der Höhlenstadt Uplistsikhe

Georgischer Wein

Nach unserer wilden Fahrt ans Schwarze Meer lassen wir uns bei der Rückfahrt nach Tiflis mehr Zeit und suchen uns erst einmal eine schöne einsame Wiese in den Bergen in der Nähe des verschlafenen Ortes Vardzia. Um ehrlich zu sein sind wir hier nur aufgrund eines Schreibfehlers gelandet, denn eigentlich wollten wir die berühmten Höhlen von Wardsia besuchen...
Doch im Endeffekt ist uns das egal und wir freuen uns einfach über unseren schönen Platz. Wir sind neugierig, wo der schmale Weg endet und so folgen wir ihm mit Henk am nächsten Morgen über Weideflächen bis hoch zu einem kleinen Plateau mit gigantischer Aussicht. Von hier aus machen wir einen Spaziergang zum nächsten Hügel und wollen dann weiter. Doch das ist gar nicht so einfach, denn irgendwie verpassen wir die Abzweigung auf dem kaum als Weg zu erkennenden Pfad. Nur wenige Meter trennen uns noch von der asphaltierten Straße, als ein steiler Geröllhang für Henk unüberbrückbar scheint. Oder doch nicht? Wir räumen die gröbsten Steine aus dem Weg und Marie lotst Henk und Johannes sicher durch das Geröll. Inzwischen sind wir drei ein echt gutes Team!

Große Weinkenner sind wir dafür eher weniger, wissen aber, dass Georgien für seinen Wein bekannt ist, der so ganz anders schmecken soll, als die Weine die wir kennen.
Und so führt uns unser Weg in die Ateni Schlucht, wo sich unzählige Weinkeller aneinanderreihen und Leinen über die Straßen gespannt sind, an denen der Wein entlang rankend ein grünes Blätterdach bildet. Wir fahren eine ganze Weile auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen zum Übernachten. Immerhin wollen wir in ein paar Tagen zurück in der quirligen Hauptstadt sein, da tut uns ein wenig Ruhe in Abgeschiedenheit sicher ganz gut. Tatsächlich finden wir ein nettes Plätzchen auf einem großen Platz, der mit drei kleinen überdachten Hütten wohl als Picknikplatz gedacht ist. Aber ruhig ist es ganz und gar nicht. Und das ist gut so! Denn ehe wir uns versehen, werden wir als `Schwester´ beziehungsweise `Bruder´ von einer Großfamilie adoptiert und mit allerlei zu essen und selbst gekeltertem Wein versorgt. Dazu schlägt Sergo die Trommel und der ganze Clan singt, lacht und tanzt. Auch wir lassen uns von der ausgelassenen Stimmung anstecken, essen uns satt und fühlen uns pudelwohl in der Gruppe. Spaßvogel der Familie ist Maleke, der irgendwann aus einem Schläfchen im Kofferraum seines Wagens erwacht, etwas angetrunken mit seinem Taxischild tanzt und in voller Montur im vorbei fließenden Bach baden geht.

Dann ist der ganze Spuk ganz plötzlich zu Ende, alles wird in Windeseile zusammengepackt und wir bekommen gleich zwei Adressen zugesteckt, mit der Bitte, wir mögen doch zu Besuch kommen.
Die Familie der Nachbarhütte schaut noch kurz vorbei um uns Pfirsiche und selbstgemachten Wein vorbei zu bringen und wir haben nun den direkten Vergleich, denn auch Sergo hat uns eine Flasche da gelassen. Wie er schmeckt? Nun ja... Interessant. Aber vielleicht sind wir auch nur ignorante Banausen...


Eine weitere Höhlenstadt

Den nächsten Stopp legen wir an einem kleinen Kloster in der selben Schlucht ein um dann weiter nach Gori zu fahren, einer Stadt, die vor allem als Geburtsort Stalins Bekanntheit erlangt hat. Schon merkwürdig, das kleine unscheinbare Geburtshaus des Diktators in einen großen tempelartigen Bau eingepasst zu sehen... Wir schlendern ein wenig durch die Straßen, steigen zur Burg hinauf und fahren dann bald weiter nach Uplistsikhe, wo wir eine Höhlenstadt besuchen. Wir erwarten nicht allzu viel, denn wir sind sicher, in Puncto Höhlen in Kappadokien schon alles gesehen zu haben. Doch letzten Endes sind wir sehr froh, hier her gekommen zu sein. Die Höhlen haben noch einmal einen ganz anderen Charakter und es ist schön, die eigentümliche Stadt in der tollen Landschaft zu erkunden.

Ganz unscheinbar sehen wir beim Verlassen des Geländes einen Eingang zum zugehörigen Museum. Neben einigen schönen Exponaten, die bei den archäologischen Arbeiten zum Vorschein gekommen sind, läuft im hinteren Raum ein kleiner Film über die Entstehung der Stadt bis hin zu deren Ausgrabung und Restauration. Die Grafik ist nicht berauschend und wir erfahren auch nicht so viel mehr als wir im Internet nachgelesen haben, doch wir sitzen wie gebannt vor dem Bildschirm und verfolgen mit großen Augen die bewegten Bilder. Das OpenAir Kino in Hermannstadt ausgenommen haben wir nur einen einzigen Film geschaut seit wir unterwegs sind. Und Fernsehen ansonsten gar nicht vermisst.

Nun dauert es nicht mehr lange, bis wir zurück in Tiflis sind, doch eine Sache liegt uns noch am Herzen. Als wir an die Ausfahrt kommen, bei der wir vor etwa einer Woche nach Übernachtungsmöglichkeiten gesucht haben und stattdessen nur verlassene Geisterhäuser gefunden haben, wird Henk immer langsamer, bis Johannes ausspricht, was wir alle drei denken: „Was glaubst du, wie sich die beiden Streuner freuen würden, wenn wir nochmal vorbei schauen...?“ Gesagt getan. Kaum an den Platz gefahren, an dem wir auch das letzte Mal gehalten haben, kommt uns einer der beiden schon hinkend und Schwanz wedelnd entgegen und holt auch dieses Mal seinen Freund mit den kaputten Gelenken dazu. Es gibt Hundefutter und Wasser bis wir mit dem Platz, der uns beim letzten Mal so betroffen gemacht hat, ausgesöhnt sind.


Tiblisi

Jetzt geht es aber wirklich ohne Umwege zurück in die Hauptstadt und da wir uns auf dem Hof des Hostels recht wohl gefühlt haben, fahren wir auch dieses Mal wieder dorthin zurück. Ein paar Bewohner kennen wir noch vom letzten Mal, die meisten sind jedoch neu dazu gekommen. Gerade hier, inmitten dieser kunterbunt zusammengewürfelten Gruppe, wird uns wieder bewusst, wie unterschiedlich die Motivation für eine längere Reise sein kann, wie anders eine solche aussehen kann als bei uns und mit welchen Erwartungen Reisende an ihr Vorhaben herangehen. Wie schon in gesamt Georgien treffen wir auf erstaunlich viele deutschsprachige Menschen und mit Judith, Florian und Alex sitzen wir eine ganze Weile zusammen um uns auszutauschen. Auch mit einer vierköpfigen Familie kommen wir ins Gespräch, die sich aus Deutschland abgemeldet hat, um das Reisen nun auf Dauer zu ihrem Leben zu erklären – mit der Konsequenz, dass auch die Kinder nicht in der Schule angemeldet werden. Auch der liebe Saeed, der mit seinem Bruder aus dem Iran hierher gereist ist, uns bittet, ihn doch in Teheran zu besuchen und uns zum Abschied eine Glücksmünze schenkt, wird uns in Erinnerung bleiben; ebenso wie Michael aus England mit seinem lauten Lachen, dem der Schalk aus den Augen blitzt und der in der Nacht weiter nach Indien fliegt. Und dann ist da noch Paolo, der seit neun Jahren ununterbrochen mit dem Motorrad unterwegs ist und nun nicht recht weiß wie es weiter gehen soll. Er rät uns, nicht den `Point of no Return´ zu verpassen, der seiner Meinung nach irgendwann zwischen dem zweiten und vierten Jahr auf der Straße einsetzt. Er selbst ist allmählich reisemüde geworden, fürchtet sich aber auch vor einem Neustart in der Heimat. Wir glauben inzwischen zu verstehen, was er meint, sind uns aber sicher, dass uns dieses Schicksal nicht ereilen wird. So sehr wir das unterwegs sein genießen, so sehr freuen wir uns schon jetzt auf ein Wiedersehen mit unseren Lieben und basteln an Plänen für `danach´.

Und schließlich Tiflis: Einen ersten Eindruck haben wir ja bereits von unserem abendlichen Rundgang erhalten und ohne Krätzi im Hinterkopf können wir die Stadt nun auch bei Tage genießen. Und genießen trifft es wirklich. Denn obwohl wir beide keine großen Stadtfreunde sind, streifen wir gerne durch unser Viertel bis hin zur Innenstadt und den touristischen Sehenswürdigkeiten. Da es in der Nacht zuvor ordentlich geregnet hat, ist es auch nicht allzu heiß und bei angenehmer Temperatur laufen, laufen, laufen wir. Als wir auf einen riesigen Flohmarkt stoßen, der in einen Kunstgewerbemarkt über geht, sind wir als alte Stöberer natürlich in unserem Element und neugierig, wie stark sich das Sortiment von unseren Märkten unterscheidet. Altes Geschirr, Vasen und Kleidung werden auch bei uns angeboten, doch zwischen den üblichen Dingen finden wir jede Menge alte Gasmasken und andere militärische Utensilien, sowie altes sowjetisches Spielzeug, das uns fasziniert.

Das alte Betlemi Viertel mit seinen schön geschnitzten Holzbalkonen gefällt uns natürlich besonders gut, doch wenn wir uns die Menschenmenge in den kleinen Gassen ansehen, sowie die hippen Cafes und stylischen Hostels, sind wir sehr froh über unseren Platz am Stadtrand, der etwas schäbig ganz nach unserem Geschmack ist. Von der Altstadt wandern wir schwitzend hoch zur Burg, von der aus man eine geniale Aussicht auf Tiflis hat und hier oben kann man besonders schön sehen, wie diese Stadt zwischen Moderne und Tradition oszilliert. Futuristische Gebäude auf der einen, altehrwürdige Kirchen auf der anderen Seite gefällt uns das Panorama sehr gut. Erst von hier aus sehen wir aber auch die Randgebiete der Stadt, bestehend aus unzähligen Hochhäusern. Auch diese gehören nun einmal dazu, doch haben wir sie bislang kaum wahr genommen, da die Autobahn den Verkehr geschickt um die weniger schönen Viertel herum leitet und uns unsere Ausfahrt direkt ins Zentrum geführt hat.

Wir sind den ganzen Tag unterwegs bis unsere Füße schmerzen, wollen wir doch so viel wie möglich von der Atmosphäre dieser Stadt aufnehmen, die uns für eine Großstadt wirklich gut gefällt.


Wir überlegen sogar, noch einen Tag dran zu hängen, fahren aber nach dem intensiven Stadttag doch weiter. Unsere georgische Versicherung läuft am nächsten Tag ab und wir wollen keine neue für weitere zwei Wochen abschließen. Dafür sind wir einfach zu neugierig auf Armenien. Und für den Fall, dass uns das Visum für den Iran nicht erteilt wird, haben wir uns noch etwas von Georgien für den Rückweg aufgehoben...

Hier wieder weitere Bilder zu dieser Etappe: