Sandfurchen im Sonnenuntergang


Wieder zu fünft
Nachdem wir Nordgriechenland bereits im Herbst erkundet haben und in diesem Jahr gemeinsam mit Denise und Roger die Westküste entlang bis zum südlichsten Punkt der Peloponnes gereist sind, erklären wir das Kapitel Griechenland offiziell für beendet und fahren zügig Richtung Igoumenitsa, von wo aus wir die Fähre nach Italien nehmen wollen. 

Wir machen es uns einfach, indem wir nach unserem Abschied von Denise und Roger direkt unseren ersten gemeinsamen Traumstrand unterhalb von Patras ansteuern. Da wir den Platz bereits kennen, erwarten wir keine großen Überraschungen, doch immerhin ereignet sich genug, um einen kleinen Nachtrag zu unserer Griechenlandreise zu schreiben. 

Verlassen der Peleponnes

Déjà vu

`Moment mal… den Geruch kennen wir doch!‘ scheinen drei weit aufgerissene Augenpaare zu sagen, während die Näschen unserer Hunde aufgeregt schnuppernd versuchen, die Gerüche des heutigen Lagerplatzes einzuordnen.
Kaum haben die Mädels kapiert, dass sie hier schon einmal waren, flitzen sie auch schon wie wild über den Strand, als wären sie nie weg gewesen. Wir müssen lachen, als Islay bereits nach wenigen Minuten mit einem dicken Tau auftaucht, mit dem die Hunde vor zwei Wochen besonders gerne gespielt haben. Bei unserem Aufbruch war es nicht aufzufinden, doch nun hat sie es zielsicher irgendwo aus dem Gebüsch gezogen.
Allerdings finden unsere Spürnasen leider noch so manch anderes wieder, wovon wir Zweibeiner weniger begeistert sind…

Zwei Wochen zuvor: Johannes und Roger kommen vom Einkaufen zurück an den Strand. Johannes öffnet die Autotür und verzieht angeekelt das Gesicht, denn ein undefinierbarer widerlicher Geruch hängt über dem gesamten Platz. Denise und Marie, die in der Zwischenzeit bei den Hunden geblieben sind, können sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Johannes erschrocken realisiert, dass der Gestank von unseren Hunden ausgeht – und das, obwohl Marie die beiden betroffenen Hunde bereits abgewaschen hat!

Irgendwie haben wir es geschafft, diese Begebenheit vollkommen aus unserem Bewusstsein zu verdrängen und so stehen wir vierzehn Tage später ziemlich zerknirscht vor unseren stinkenden Hunden. Die können ganz und gar nicht verstehen, was Herrchen und Frauchen jetzt schon wieder haben. Gerade heute haben sie sich doch extra `frisch‘ gemacht und sich in diesem wohlriechenden Zeug gewälzt…

Johannes reicht es. Entschlossen geht er auf die Suche nach der Quelle des Gestanks und wird tatsächlich fündig. Ein Plastiksack mit einer uns unbekannten weißlich haarigen Pampe ist der Übeltäter und wird nun von Johannes tief vergraben. Dann schnappt er sich nacheinander die kleinen Racker und geht mit ihnen kurzerhand ins Meer. Da wird gezappelt und geheult, doch aus Johannes Schwitzkasten gibt es kein Entkommen. Allein Nora scheint das direkt zu spüren und versucht gar nicht erst, sich zu wehren. Mit angelegten Ohren lässt sie die unangenehme Prozedur über sich ergehen – nur um sich im Anschluss daran mit nassem Fell im Sand zu wälzen. Aber was solls. Hauptsache der Gestank ist weg.

Gerade rechtzeitig übrigens, bevor die Mädels Bekanntschaft mit einem netten Artgenossen machen. Der zwei Jahre alte Gyussy gehört zu Lisa und Julian, mit denen wir uns auf Anhieb gut verstehen. Auch die Hunde können sich gut riechen und bald jagen sich unsere Vierbeiner gegenseitig über den Strand. Zusammen mit dem `großen Bruder‘ trauen sich unsere drei sogar durchs Wasser, um auf eine winzige Insel zu gelangen, obwohl sie dabei eine ordentliche Unterbodenwäsche abbekommen. Im Übrigen würde Gyussy tatsächlich problemlos als großer Bruder der Mädels durch gehen, denn vor allem Nora ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Kurz überlegen wir, einen weiteren Tag an unserem Strand zu verbringen, um diese Bekanntschaft etwas zu vertiefen, doch inzwischen zieht es uns mit Macht Richtung Italien.

Frisch paniertes Hündchen

Die Geschichte mit dem Cool sein


Bevor wir jedoch endgültig aufbrechen, werden wir zufällig Zeuge dieser abenteuerlichen Aktion: Ein kleines Auto hält direkt neben unserem Lagerplatz und zwei junge Paare steigen aus. Unter nervösem Gekicher der jungen Damen besieht sich der selbstbewusste Beifahrer fachmännisch die Vorderreifen, um dem unschlüssigen Fahrer daraufhin lässig das Okay für eine Fahrt über den Sandstrand zu geben. Mühelos lassen sich die gönnerhaften Gesten des Beifahrers (Alphaboy) auch ohne große Griechischkenntnisse übersetzen: `Das passt schon. Stell dich nicht so an. Da würde meine Großmutter mit geschlossenen Augen durch fahren...‘
Der Fahrer (Piggeldy) ist offensichtlich nicht überzeugt, doch was soll er machen, wenn Alphaboy ihn herausfordert. Jetzt kneifen, in Anwesenheit der Mädels? Keine Option.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Piggeldy gibt Gas – und wir hören nur wenige Sekunden später den Motor hinter den Dünen aufheulen; Ein verzweifelter Versuch des jungen Fahrers, sein fest gefahrenes Auto mit durchdrehenden Reifen aus dem Sand zu befreien. Hoffnungslos.
Ein paar Minuten hören wir uns das an, bis sich Marie an den seelenruhig lesenden Johannes wendet: `Kannst du nicht mal schauen gehen? Normalerweise hilfst du doch sofort!‘

`Normalerweise fahren sich die Leute auch nicht absichtlich dumm fest‘, antwortet dieser ohne aufzuschauen.

`Aber wir haben doch einen Klappspaten. Kannst du ihnen den nicht wenigstens bringen?‘
`Warum bringst du ihnen den denn nicht? Du bist doch selber groß.‘

`Naja… Ich habe so den Eindruck, dass die sich von einer Frau nicht gerne was sagen lassen…‘

`Genau das glaube ich auch‘, sagt Johannes und sieht Marie amüsiert an. `Und genau deshalb habe ich absolut keine Lust, diesen Machotypen zu helfen...‘

Natürlich klappt er schließlich doch seufzend sein Buch zu, schnappt sich unseren Spaten und wir zwei marschieren zu dem gestrandeten Auto. Dort bewahrheitet sich unsere Vermutung, denn Caro, eine Österreicherin, die etwas entfernt mit ihrem Geländewagen in den Dünen steht, hat sich an Alphaboy bereits die Zähne ausgebissen. Neben einer großen Schaufel hat sie jede Menge Afrika- und damit Sanderfahrung im Gepäck, doch von einer Frau lässt sich Alpha natürlich nicht rein reden. Statt ihrem Rat zu folgen und erst einmal die Achsen frei zu bekommen (der Wagen liegt mit dem Unterboden komplett auf), schaufelt er lieber willkürlich mal hier, mal da, gibt widersprüchliche Anweisungen und sorgt mit markigen Sprüchen für viel Gekicher bei den Mädels – und genervte Blicke bei uns. Allein Piggeldy tut uns leid. Ohne Alpha, der eine unglaubliche Hektik in die Situation bringt und ruhiges Überlegen unmöglich macht, würde er alles tun, was wir ihm sagen, nur um sein Auto frei zu bekommen und dieser peinlichen Situation zu entkommen. Denn um die absurde Szenerie komplett zu machen, haben sich inzwischen auch noch zwei Reiter mit ihren Pferden dazu gesellt, die gerade den Strand entlang geritten sind. - Piggeldy würde am liebsten im Erdboden versinken.

Irgendwann haben wir es tatsächlich mit vereinten Kräften geschafft, das Auto frei zu bekommen und Piggeldy dreht mit zitternden Fingern den Zündschlüssel um, um sein Fahrzeug aus dem metertiefen Loch zu fahren. Ihm wäre es deutlich lieber, jemand anderes säße jetzt am Steuer, doch dazu hat ehrlich gesagt niemand Lust. Auch nicht Alphaboy, der sich stattdessen in Siegerpose auf das Reserverad an der Heckklappe schwingt, während wir anderen anschieben.

Es hat geklappt! Das Auto schafft es aus dem tiefen Sand und wir überlegen, wie es von hier aus am besten weiter gehen soll. Marie steht zufällig an der Fahrertür und gibt Piggeldy eindrücklich Anweisungen. Eigentlich müsste er jetzt nur noch einige Meter auf dem festen Sand nahe der Brandung zurück fahren, um sich dann mit ordentlich Anlauf und Tempo zum Ausgangspunkt der ganzen Aktion zu retten. Im Herzen stets mit dem Underdog, hegt sie die heimliche Hoffnung, dass Piggeldy so doch noch aus der Sache heraus kommt, ohne sein Gesicht zu verlieren. Doch der schüttelt resignierend den Kopf. Alphaboy, der seine große Chance wittert, hat bereits klar gemacht, dass das nun folgende Manöver etwas für erfahrene Könner ist und nimmt großkotzig hinter dem Steuer Platz.
Marie kann es kaum fassen: Nachdem er zuvor nur wenig Sinnvolles zur Bergung des Autos beigetragen hat und das weitaus schwierigere Herausfahren aus dem Sandloch eiskalt Piggeldy überlassen hat, ist er es nun, der mit extra viel Anlauf und Show den Karren aus dem Dreck fahren darf. Obwohl die ganze Sache letztlich auf seine Fehleinschätzung zurück zu führen ist, ist er keineswegs zerknirscht, sondern steht am Ende als Held da – das verraten die bewundernden Blicke der weiblichen Begleitung.

Und die Moral von der Geschicht?
Dass es wohl überall auf der Welt das Gleiche ist: Es gibt die Coolen, die selbst eine vernichtende Niederlage in einen glänzenden Sieg zu verwandeln verstehen. Und es gibt die armen uncoolen Schweine, die alles geben, um am Ende doch kurz vor der Ziellinie von Alphaboy überholt zu werden. 

Eine gönnerhafte Dankesgeste in unsere Richtung und das Unglücksauto braust davon. Verschwitzt und voller Sand sehen wir uns ungläubig an, bevor wir laut lachen müssen.
Mit zerschlissenen T-Shirts und dicken Wollsocken in unseren Sandalen gehen wir ziemlich uncool aber zufrieden ans Feuer zurück und sind einfach froh, dass wir uns nichts mehr beweisen müssen.

Sandfurchen im Sonnenuntergang

Ahoi!

Um eine möglichst kurze Überfahrt zu haben, nehmen wir die Fähre von Igoumenitsa und nicht wie ursprünglich geplant von Patras. Doch auch von hier aus dauert die Fahrt über das Meer gute zehn Stunden und wir sind sehr gespannt, wie unsere Hunde das mit machen.

Nachdem unsere Fährpläne bekanntermaßen schon einmal durchkreuzt wurden, wollen wir dieses Mal erst direkt am Hafen buchen und so suchen wir gleich nach unserer Ankunft in Igoumenitsa den Ticketschalter auf. Wir wissen, dass die Fähren regelmäßig fahren, aber etwas überrumpelt sind wir dann doch, als sich plötzlich die Möglichkeit auf tut, noch heute Nacht das nächste Schiff zu nehmen. In Windeseile besorgen wir uns Verpflegung für die lange Fahrt und dann geht es auch schon los.
Von anderen Reisenden haben wir den Tipp bekommen, uns unbedingt eine Kabine zu nehmen, in der auch Hunde erlaubt sind, da diese nicht in die Aufenthaltsräume der Fähre mitgenommen werden dürfen und es an Deck naturgemäß recht zugig ist. Das würde sich für uns natürlich umso mehr anbieten, als die Überfahrt nachts statt findet und wir so das Geschaukel einfach verschlafen könnten. Doch um ehrlich zu sein ist uns das zu teuer und zum Glück sind wir ja für Übernachtungen im Freien gerüstet…

Ganz schön windig ist es an Deck, doch wir finden eine windgeschützte und sogar überdachte Ecke, in der wir uns mit Luftmatratzen, Schlafsack, Decken und Kissen ein schönes Nachtlager bereiten.
Froh darüber, einen guten Platz gefunden zu haben, nehmen wir an einem der Tische Platz, die hier bereit stehen, essen etwas und lassen unsere Zeit in Griechenland noch einmal Revue passieren. 

Wir hatten eine wunderbare Zeit mit Denise und Roger und die abwechslungsreiche Landschaft mit Wäldern, Sandstränden und schroffen steilen Klippen hat uns in ihren Bann gezogen. Vor allem aber ist es das Land, in dem uns Islay, Elly und Nora gefunden haben und werden allein deshalb immer gerne an unsere Zeit hier zurück denken.
Gleichzeitig betrachten wir Griechenland inzwischen mit durchaus gemischten Gefühlen. Denn während wir durch dieses schöne Land reisen, harren auf griechischen Ägäisinseln Zehntausende Flüchtlinge in heillos überfüllten Lagern aus. Die Berichte über teilweise unmenschliche Bedingungen machen uns betroffen und in den den Nachrichten haben wir nun von schwimmenden Barrieren gehört, die Asyl suchende Menschen abfangen sollen.
Die beklemmenden Meldungen, die im WLAN immer mal wieder zu uns durchsickern, führen uns deutlich vor Augen, dass die Freiheit, die wir gerade in vollen Zügen genießen, alles andere als selbstverständlich ist. Mitunter sind Grenzübertritte mit Aufwand verbunden und wir haben auf unserer Reise schon so manchen Reisenden über komplizierte Visaverfahren stöhnen hören, doch grundsätzlich steht uns mit unserem deutschen Pass die Welt buchstäblich offen.
Vor allem aber machen uns solche Nachrichten bewusst, was für ein unschätzbares Glück wir haben, in unserer Heimat in Frieden und Wohlstand leben zu können und gar nicht erst bei anderen Ländern um Asyl bitten zu müssen. Wenn wir aufbrechen, dann aus freiem Entschluss und um die Welt zu entdecken – nicht, weil uns Hunger, Krieg oder Verfolgung dazu zwingen!

Eine ganze Weile hängen wir so unseren Gedanken nach, bis wir uns schließlich schlafen legen. Mit unserem vorbereiteten Bett fühlt sich das fast ein wenig wie im Henk an, nur dass die Hunde normalerweise in ihrer Hundebox schlafen, während sie heute neben uns liegen dürfen. Es dauert nur wenige Minuten, bis alle drei den Weg unter unseren Schlafsack gefunden haben und sich fest an uns schmiegen.
Eng aneinander gekuschelt schlafen wir fünf bald ein, während wir dem nächsten Morgen und damit Italien entgegen fahren.

Wo ist Henk?

Die Bilder zum Artikel findet ihr hier: