Ein halbes Jahr zurück

Mit gemischten Gefühlen sind wir zuhause angekommen. Wir haben uns riesig auf unsere Familien und Freunde gefreut und uns mehr als einmal ausgemalt, wie wir endlich wieder unter unserer warmen Dusche stehen oder uns auf unsere bequeme Couch lümmeln. Gleichzeitig war uns klar, dass die „Wiedereingliederung“ in den Alltag nicht leicht werden würde. Nach all den Eindrücken, all der Freiheit einfach so weiter machen wie vor unserer Reise? Gar nicht so einfach.

Gruppenbild im heimischen Garten
Gruppenbild im heimischen Garten

Akklimatisationszeit

Mit Schwierigkeiten hatten wir also gerechnet. Womit wir nicht gerechnet haben ist: Corona.
Gerade einmal zwei Wochen nach unserer Ankunft in Deutschland wird der Lockdown angeordnet. Für uns heißt das, aus der absoluten Freiheit in die „Gefangenschaft unserer vier Wände“ zurückzukehren. Der Kontrast könnte kaum größer sein.

Gleichwohl sind wir dankbar für unsere privilegierte Lage: Anders als andere Reisende, die wir unterwegs kennengelernt haben, hängen wir weder auf Kreta, noch in Indien fest. Stattdessen sitzen wir das Kontaktverbot in unserer gemütlichen Wohnung mit Garten aus und haben Dank unserer drei Hündinnen sogar die Gelegenheit, zweimal am Tag spazieren zu gehen.
Überdies sind wir sehr froh, die Entscheidung nachhause zu kommen gerade noch aus freien Stücken getroffen zu haben, bevor uns Corona diese wohl ohnehin aufgezwungen hätte.
So gerne wir all unsere Freunde wiedersehen möchten, halten wir uns natürlich an die geltenden Kontaktbeschränkungen und nehmen uns damit ganz viel Zeit, unsere Lieben nach und nach zu treffen. Viele Menschen auf einmal sind wir ohnehin nicht mehr gewohnt.

Alles in allem sind wir also ganz zufrieden und gehen viele kleine Projekte an, von denen wir unterwegs geträumt haben, während wir ganz allmählich im Alltag ankommen.

Johannes restauriert seinen Flohmarktfund...

...Marie ein altes Fenster und ihr Rankgitter... 

...und gemeinsam basteln wir am Hundegarten!


Veränderungen

Aber da sind wir auf der Hut. Wir freuen uns darüber, in vielerlei Hinsicht wieder da anknüpfen zu können, wo wir vor der Reise aufgehört haben.
Doch ganz zurück ins Altbekannte wollen wir nicht. Selbstbestimmter wollen wir leben und arbeiten. Abwechslungsreicher und nachhaltiger.
Oder anders gesagt: Anstatt den Erinnerungen an die vergangenen Monate nachzuhängen und vor lauter Fernweh direkt an die Planung der nächsten Reise zu gehen, wollen wir unsere Zukunft zuhause so erfüllend gestalten, dass wir gar nicht das Bedürfnis verspüren, unsere sieben Sachen direkt wieder zu packen. Unsere Reise soll einfach hier und jetzt weitergehen.
„Wir streben Veränderungen in den Punkten Arbeit, Wohnsituation und Freizeit an“, heißt es in unserem vorsorglich verfassten Memorandum, das nun neben unserer Schlafzimmertür hängt und uns täglich an unsere Träume und Wünsche erinnert.

Also: Ab jetzt wird wieder in die Hände gespuckt! (Ob wir mit unseren Vorstellungen von Arbeit und Leben großartig das Bruttosozialprodukt steigern, wird sich erst noch zeigen...)
Als frische Reiserückkehrer ohnehin arbeitslos, ergreifen wir die Chance, uns an einer Selbstständigkeit zu versuchen. Unterwegs haben wir es genossen, ungefiltert Ideen zu sammeln, auf die wir nun zurückgreifen. Auch wenn wir uns letztlich beide für eine Richtung entscheiden, die gar nicht so weit weg von unserer Ausbildung und Berufserfahrung ist, sind wir froh um die unbekümmerten Gedanken, die wir uns im Vorfeld gemacht haben.
Andernfalls hätte Johannes seinen Schwerpunkt als freiberuflicher Entwicklungsingenieur vielleicht nicht auf nachhaltige Produktentwicklung verlegt. Und Marie wäre erst Recht niemals auf die Idee gekommen, sich als Freie Rednerin selbstständig zu machen.

Mindestens ebenso spannend ist für uns die Wohnfrage. Wir sind sehr froh, dass wir nach unserer Reise wieder in unsere alte Wohnung zurück konnten.
Vor allem Johannes ist durch und durch Frankenthaler und hätte sich noch zu Beginn unserer Reise gut vorstellen können, hier für immer zu leben.
Doch wir haben uns verändert. Nicht nur, dass wir inzwischen gerne etwas eigenes möchten; uns wird auch jetzt erst bewusst, wie sehr wir selbst in unserem verkehrsberuhigten Viertel von Asphalt und Häusern umgeben sind. Nach neun Monaten, in denen wir jeden Morgen den ersten Schritt des Tages in die Natur gesetzt haben, kommt uns die Viertelstunde, die wir mit unseren Hunden bis zum Feld laufen müssen, wie eine Ewigkeit vor. Und selbst hier können wir in einiger Entfernung deutlich die Autokolonnen sehen und hören, die sich die Autobahn entlang wälzen, während über uns die Stromleitungen surren.
Ganz klar: wir brauchen etwas im Grünen - und haben auch schon etwas im Blick...

Und unsere Mädels? Die haben sich in ihrer neuen Umgebung schneller eingelebt als wir Zweibeiner.
Spätestens mit der „Eröffnung“ ihres Hundegartens haben sie ihr neues Zuhause voll und ganz akzeptiert. Bald sind mit drei Chihuahuas auch unsere direkten Hundenachbarn kein Grund zur Aufregung mehr und es wird nach Herzenslust durchs neue Revier getobt.
Einmal mehr sind wir über die Anpassungsfähigkeit unserer Hunde erstaunt. Der Wechsel vom einzelgängerischen Leben in der Natur hin zum Leben in der Stadt mit unzähligen Zwei- und Vierbeinern scheint ihnen nicht viel auszumachen.
Wir genießen es, Islay, 
Nora und Elly beim Wachsen und Entdecken zuzusehen. Die drei hören gut und entwickeln sich prächtig. Schnell entdecken wir, dass das gemeinsame Leben in einer Wohnung auch Vorteile hat: So eine Couch, auf der man abends zu fünft kuscheln kann, ist schon viel wert…


Unsere Mädels: Manchmal Unschuldslämmchen, manchmal Diven...


Bilanz

Heute, ein halbes Jahr nach unserer Rückkehr, ziehen wir Bilanz.
Die Sorge, den Anschluss verpasst zu haben, hat sich nicht bestätigt. Unsere Familien und Freunde haben uns in ihrer Mitte aufgenommen, als wären wir nie weg gewesen.

- Elly, Nora und Islay sind trotz pubertärer Schwierigkeiten zu echten Familienmitgliedern geworden und bereichern unser Leben ungemein.

- Johannes Selbstständigkeit läuft allmählich an. Nach der schleppenden Anfangsphase gibt es erste Aufträge zu verbuchen und sein Wunsch nach mehr Abwechslung und Sinnhaftigkeit im Arbeitsleben scheint sich zu erfüllen.

- Maries Selbstständigkeit hat gerade frisch begonnen und auch sie hat bereits erste Kontakte geknüpft. Der neuen Herausforderung sieht sie (zumeist) gelassen entgegen.


- Wenn nun noch unser Wunsch von einer kleinen Waldhütte in Erfüllung geht, sind wir restlos zufrieden!


Mal schauen, wie es weitergeht... 


Sechs ereignisreiche Monate lang haben wir unsere Zivilisationstanks aufgefüllt und an unserer Zukunft gebastelt.
Nun beginnen wir, diese Zukunft mit Leben zu füllen. 


Wer sich noch dran erinnern kann - hier gehts zum Fotoalbum: https://photos.app.goo.gl/LghMrFFLzVZ14vjK9

Hier findet ihr die Website von Maries Selbstständigkeit: https://www.sprachgefühl.com/

Und hier ist die Homepage von Johannes: https://www.kreating.de/